Donnerstag, 12. Februar 2009

Eine Unklarheit aus Cottbus


Das Studium der Kunst im öffentlichen Raum und der Architektur des Sozialismus kann heutzutage größtenteils nur noch in archäologischer Weise betrieben werden, da deren Zeugnisse in den meisten Ländern, in denen einst der Aufbau sozialistischer Verhältnisse begonnen wurde, nur noch mit Desinteresse oder Abscheu behandelt werden. Daher ist es oft nicht leicht, zu den künstlerischen Fundstücken am Wege auch verlässliche Informationen zu erhalten. So stieß ich unlängst am Bahnhof Cottbus, wo ich auf der Reise von Berlin nach Zittau einen kurzen Umsteigeaufenthalt genoss, auf die oben abgebildete Schmiedearbeit. Ort, Form, ein eingraviertes Datum – „30.9. 1989“ –, und nicht zuletzt die durch Betrachtung diverser anderer Werke des sozialistischen Realismus geprägte Gewohnheit ließen mich zuallererst an ein Werk aus den letzten Tagen der DDR denken; in Verbindung mit der etwas weiter unten gravierten „2000“ interpretierte ich das Werk als Hymne auf den zweitausendsten hier montierten Zug. So war ich drauf und dran, das Werk der Datenbank von Kunst am Wege zuzuführen. Der Wikipedia jedoch, der ich in solchen Dingen so gut wie alles glaube, konnte ich entnehmen, dass hier überhaupt keine Züge montiert wurden und der 30. September `89 in der Geschichte des Cottbuser Bahnhofs als Tag der Einrichtung elektrischen Bahnbetriebs vermerkt ist, was auch die prominent im Werk vertretenen Strommasten und den Blitz, das Zeichen der Elektrizität, erklärt. Was aber mag die 2000 bedeuten? Kann es gar sein, dass sich zur letzten Jahrtausendwende noch immer Künstler fanden, die den technischen Fortschritt als Teil des menschlichen Fortschritts als passendes Thema für die Kunst ansehen? Das wäre allerdings sehr erfreulich, und sollte jemand mit näheren Hinweisen zu diesem Stück dienen können, würde ich mich über eine Nachricht an die Adresse kunst.am.wege (at) googlemail.com sehr freuen.