Dienstag, 8. Juli 2008

Ein Ausflug ins Kosmosviertel

Man mag es kaum glauben, aber: In architektonischer Hinsicht war in der DDR doch nicht alles schlecht in den späten 80er Jahren. Zwar wurde in dieser Zeit allein in Berlin mehr als genug gebaut, was weit hinter alles zurückfiel, was das Bauwesen dieses Landes bis dahin erreicht hatte - man denke nur an die Plattenbau-Mietskasernen am östlichen Ende Friedrichshains und den Disneyland-Historismus des Nikolaiviertels - aber ab und an gab es in all dem Niedergang doch noch ein letztes Aufbäumen sozialistischer Stadtplanung.

Hierzu gehört auch ein kleines Berliner Wohngebiet, das in seiner Randlage an der ehemaligen Staats- und heutigen Bezirksgrenze zwischen Treptow und Neukölln nur Wenigen bekannt sein dürfte: Das "Kosmosviertel" in Altglienicke.


Wenn man mit der S-Bahn in diesen Teil Berlins reist, merkt man gleich, dass man am Stadtrand ist. Endlos weit ziehen sich die Einfamilienhäuser hin, und nur die etwas breiteren Hauptstraßen, auf die man manchmal trifft, helfen bei der Orientierung. Auf einmal aber weitet sich der Weg, und an die Stelle der Eigenheime tritt eine Plattenbauzeile, die sich stufenweise von drei auf sechs Geschosse erhebt, um den Wechsel der Bebauung dem Auge sanfter zu machen. Die Variation der Bauhöhe setzt sich im Laufe des Wohngebiets, das seine Bezeichnung von den nach Himmelskörpern benannten Straßen hat, immer weiter fort bis zu den elfgeschossigen Scheibenbauten, die die Höhendominanten des Viertels bilden. Unglaublich eigentlich, dass zu einer Zeit, als die Großsiedlung Berlin-Hellersdorf mit fast durchgängig fünfgeschossiger Bebauung errichtet wurde, in diesem kleinen Wohngebiet noch immer solche Hochhäuser emporschossen.



Die aus hellgrauen und braunen, mit Klinkermustern verzierten Betonplatten bestehenden Fassaden sind glücklicherweise auch noch zu großen Teilen nicht saniert worden und haben das augenscheinlich auch gar nicht nötig. Im Wohngebietszentrum sind in die Erdgeschosse Ladenzeilen eingebaut, so dass eine kleine Flaniermeile entsteht, die einzige wirklich urbane Zone inmitten der weitgestreckten, ausschließlich dem Wohnen vorbehaltenen Fläche von Altglienicke - der Ort wird sozusagen vom Rande her urbanisiert.


Der späte Zeitpunkt des Baus, kurz vor der Konterrevolution, wirkt sich aber leider auch auf einen für diese Website besonders wichtigen Punkt aus: Zwar wurden alle Gebäude des Kosmosviertels offenbar noch rechtzeitig fertig, aber Kunst im öffentlichen Raum, die solch ein Wohngebiet doch erst wirklich zur Heimat macht, wurde hier keine mehr geschaffen. Lediglich ein Kunstwerk konnte ich bei meinem Spaziergang finden, das dafür aber um so erfreulicher ist. Es handelt sich um eine Wandgestaltung an einem ehemaligen Kindergarten, der jetzt verschiedene soziale Einrichtungen beherbergt. Ursula Schröder entwarf diesen niedlichen Drachen, der aus verschiedenen, kindgerecht stilisierten Tieren zusammengesetzt ist und im VEB Schilderwerk Beutha gefertigt wurde.