Montag, 16. Juni 2008

Am Universitätsplatz Rostock

An der Kreuzung der beiden wichtigsten Fußgängerzonen des Rostocker Stadtzentrums, der Kröpeliner Straße und der Breiten Straße, liegt der Universitätsplatz, der bis in die 80er Jahre hinein vor allem der Funktion diente, auf die sein Name schon hinweist: Er beherbergt das Hauptgebäude und verschiedene andere Bauten der (ehemaligen Wilhelm-Pieck-)Universität Rostock. So konnten Gerhard Murza und Hans Jordan in ihrem 1979 erschienenen Bildband "Rostock" (VEB F.A. Brockhaus Verlag Leipzig) über diesen Platz noch schreiben: "Er wird täglich von einer bunten, quirlenden Menschenmenge überquert, die gar nicht allzuviel Notiz von ihm nimmt, denn mit Geschäften ist er stiefmütterlich bedacht worden."


Dass dies sich seither geändert hat, ist nicht unerfreulich, wenngleich ich annehme, dass es an Wochentagen zwischen den Studierenden der Universität und den promenierenden Touristinnen und Touristen starke Konkurrenz um den knapp bemessenen Platz an diesem Ort gibt (da wir allerdings an einem Wochenende hier weilten, war diese Konkurrenz bereits zu Gunsten letzterer Gruppe entschieden). Auch der von Jo Jastram und Reinhard Dietrich geschaffene "Brunnen der Lebensfreude" hat dem Platz sicherlich viel von seiner bloßen Durchgangsfunktion genommen, lädt er doch zum Verweilen und Betrachten der allerlei Menschen und Getier ein, die hier beim fröhlichen Spiel im sprudelnden Wasser dargestellt sind.


Schlimm allerdings ist, dass hier bis 1986 mit dem "Fünfgiebelhaus" eines der großen Projekte des "innerstädtischen Bauens" verwirklicht wurde. Diese Tendenz, mittels industrieller Fertigungsmethoden historische architektonische und städtebauliche Formen nachzubilden, entstand als Reaktion auf die teils als monoton und unwirtlich empfundenen modernen Bauten der 60er und 70er Jahre und setzte sich im Bauwesen der DDR im Laufe der 80er Jahre immer weiter durch. So wurde nach und nach die Suche nach einer eigenen Formensprache des Sozialismus durch ein bloßes Nachahmen überkommener Stile ersetzt; an die Stelle einer Neuordnung des Raumes gemäß der veränderten gesellschaftlichen Bedürfnisse trat die Bindung an überkommene Stadtstrukturen vergangener Jahrhunderte, bis hin zu solchen Erscheinungen wie dem Bersarinplatz in Berlin, an dem man sehen kann, "dass der DDR-Wohnungsbau in den späten Jahren ästhetisch fast schon wieder auf das Niveau der wilhelminischen Mietskasernen herabgesunken war." (Anne Holper / Matthias Käter: DDR-Baudenkmale in Berlin. via reise verlag, Berlin 2003)


An der Nordseite des Universitätsplatzes jedenfalls wurde versucht, die für die Rostocker Altstadt typischen Giebel der Renaissance und der Backsteingotik mittels Großplattenbauweise zu imitieren, was einen Eindruck vermittelt, als befinde man sich inmitten eines überdimensionierten Lego-Bausatzes. Auch der Reichtum an künstlerischen Verzierungen vermag da nichts auszurichten - gerade die Platzierung einiger Reliefmedaillons und einer Plastik des Rostocker Greifen ganz oben an den Giebeln, wo sie nur mit einem Fernglas vernünftig anzusehen sind, zeigt eher, wie wenig durchdacht die Konzeption der 1986er Neugestaltung war.


Drei Reliefs am Parterre eines der Gebäude geben zwar in ansprechender Weise Auskunft über die Stadtgeschichte, überzeugen aber auch vor allem durch die Darstellung eines Architektentrios mit einem Modell des im Bezirk Rostock erfundenen Terrassenhochhauses. Damit wird eher Fernweh als Behaglichkeit geweckt, denn diesen Haustyp findet man zwar an vielen Punkten der Stadt, nur eben nicht am Universitätsplatz.


Alles in allem gehört der Platz zu den wenigen Orten der DDR, die nach deren Ende erheblich an Qualität gewonnen haben, denn in den Erdgeschossen der beiden Häuser an der Mündung zur Breiten Straße befinden sich jetzt, einander direkt gegenüber, Filialen von Burger King und McDonald's. Und so wurde unser Aufenthalt dank eines "M"-Maxi-Menüs doch noch ein Genuss.