Donnerstag, 31. Januar 2008

Zum 63. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz


Sonntag, 27.1.2008

Der Tag hatte damit begonnen, dass ich den Inhalt meiner Kaffeetasse über Bücher, CDs und was noch so auf meinem Schreibtisch lag, verkippte. So schockierte es mich auch nicht mehr, als ich bei meiner Ankunft am Potsdamer Hauptbahnhof erfuhr, dass ich auf meinen Überlandbus zum Schwielowsee eine Stunde zu warten haben würde. Um den Tag nicht am Bahnsteig zu vergeuden, beschloss ich kurzerhand, den Weg trotz fortwährenden Nieselregens zu Fuß zu gehen und dabei auch gleich einen Abstecher zum sowjetischen Ehrenfriedhof an der Michendorfer Chaussee zu machen. Schließlich war heute offizieller Holocaust-Gedenktag, und obgleich ich mich sträubte, einen Tag zu begehen, der von einem Bundespräsidenten der BRD gestiftet worden ist, schien mir der Jahrestag der Befreiung von Auschwitz durh die Rote Armee auf jeden Fall feier- und gedenkwürdig. Und wie könnte man solch ein Jubiläum besser begehen als durch eine Ehrung derjenigen, die das Grauen von Auschwitz beendet hatten? Die Rote Armee wollte ich feiern, und der große, jedoch merkwürdig weit von jeder Siedlung entfernte Friedhof mit seinem würdevollen Ehrenmal eines Sowjetsoldaten mit Siegesbanner in der Hand vor einer geschwungenen Säulenreihe schien mir der rechte Ort dafür zu sein.




Ein längerer Marsch die Michendorfer Chaussee entlang führte mich an allerhand Zeichen des Verfalls entlang, und der einzige Mensch, den ich auf dem Wege an einer Bushaltestelle stehen sah, brüllte mir, als ich schon weit weg war, irgendetwas hinterher (schon auf der Zugfahrt nach Potsdam hatte unweit von mir ein merkwürdiger Typ gesessen, der die ganze Zeit vor sich hin schimpfte und eine auf seinem Sitz gefundene Zeitung wütend und unter allerhand Getöse durch den ganzen Waggon zum Mülleimer getragen hatte).





Endlich beim Friedhof angekommen, war ich schon kurz davor, über ein verschlossenes Tor zu klettern, als mir auffiel, dass das wenige Meter entfernte Hauptportal offen stand. Ich ging vorbei an langen Gräberreihen und gelangte zu der schönen Denkmalsanlage, die auch ein Wasserbecken (vielleicht war früher auch ein Wasserspiel integriert gewesen) und Bänke zum nachdenklichen Verweilen umfasst.


Überhaupt sind Friedhöfe für mich vor allem ihrer künstlerischen Gestaltung nach interessant. Erst die richtige Verbindung von Gartenkunst, Skulpturen und Grabsteinen macht den Besuch auch zu einem ästhetischen Erlebnis. Generell fiel mir bei diesem Besuch auf, dass man Grabsteine eigentlich viel mehr als eigenständige Kunstform auffassen muss. Die Steinmetze, die für ihre Herstellung zuständig sind, tun das sicher ohnehin, aber oft scheint mir bei den Hinterbliebenen, die für einen Verstorbenen den Stein aussuchen, nicht das Bewusstsein vorhanden, dass sie einem geliebten Menschen damit ein Denkmal setzen, das nicht nur Platitüden und Kitsch, sondern die Persönlichkeit des Verstorbenen und ihre Wertschätzung für ihn zum Ausdruck bringen soll.






Hier fand ich jedenfall einige sehr schöne Exemplare dieses Genres, denen man den guten Geschmack ihrer Stifter ansah. Der Friedhof bot ja auch nicht nur Gefallenen des Krieges Platz, sondern wurde auch später noch genutzt; vielleicht gab es in der Nähe eine sowjetische Kaserne. So findet sich auf seinem Gelände auch ein Feld für Kinder, wo mir ein Grabmal auffiel, das aus Metallplatten zusammengenietet war und ein bisschen an eine Flamme erinnerte. Auf jeden Fall aber hatte es eine Form, die sehr abstrakt, aber nicht symmetrisch war; sie wirkte irgendwie unfertig und schien mir damit ein geeignetes Bild für ein verstorbenes Kind.





Von hier schlug ich mich nun durch den Potsdamer Forst durch nach Caputh. Das heißt, ich wusste nicht, dass es Caputh war; ich sah nur auf einmal Häuser hinter den Bäumen aufscheinen, und erst zwei mich anstarrende, ihren Hund Gassi führende Kinder klärten mich auf, wohin ich da geraten war. Um mich erst einmal zu stärken, ging ich in einen Asia-Imbiss, wohl der einzige in der gesamten Gemeinde Schwielowsee. Die Leute spielten gerade mit ihrem kleinen Kind und schienen nicht auf Kundschaft vorbereitet zu sein. Nach dem Verzehr einer riesigen Chinapfanne, die eigentlich zwei Chinapfannen hätten sein können, setzte ich meinen Weg das Seeufer entlang fort, der Rest gehört nicht hierhin.

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