Donnerstag, 29. November 2007

Im Stadtzentrum von Most

"Im Gegensatz [zur Straße] kann der Platz nicht in einer einzigen Blickrichtung und nicht von einem einzigen Standpunkt aus vollständig erfaßt werden. Der Betrachter muß herumgehen, er muß Blickrichtung und Standort mehrfach wechseln und den Eindruck des Platzes gewissermaßen aus den einzelnen Wahrnehmungen zusammensetzen. Darauf beruht auch die bekannte Erscheinung, daß man gerade die besten Plätze nicht fotografieren bzw. nur in Teilansichten wiedergeben kann..." (Hans Schmidt: Einführung, in: Konrad Lässing / Rolf Linke / Werner Rietdorf / Gerd Wessel: Straßen und Plätze. Beispiele zur Gestaltung städtebaulicher Räume. 2. Aufl., VEB Verlag für Bauwesen, Berlin 1971)



Hotel "Cascade" und Übergang zum städtischen Kulturzentrum "Repre".


Das "Repre".


"Repre" und Magistratsgebäude.



Der Magistrat.


...und sein Innenhof.


Das Stadttheater.

Ein Ausflug nach Most

Momentan habe ich wenig Ambitionen, längere Texte zu tippen oder geschriebene Reiseberichte abzutippen. Die Reise nach Most in der ehemaligen CSSR, die Leninallee und ich vor zwei Monaten unternahmen, lässt sich aber wohl auch recht gut durch die folgenden Bilder nachfühlen. Durch die Lektüre von "Farbe bekennen", der Biographie Walter Womackas, waren wir auf diese Stadt aufmerksam geworden, die seit den 60er Jahren nach und nach abgerissen und ein paar Kilometer weiter neu aufgebaut wurde, um dem Tagebau Platz zu machen. Dabei wurde die neue Stadt, Novy Most, nach einem nahezu perfekten Plan realisiert, wie ihn nur der sozialistische Städtebau zustande bringen konnte. Die Bündelung der großen Verkehrswege in einem Korridor, der an der Stadt vorbei führt und deren Bewohner so vorm Verkehrslärm schützt; das Stadtzentrum als große Fußgängerzone mit Stadthaus, Magistrat, Theater, Post, Restaurants und Geschäften; das Hochhaus des Bergbaubetriebes als Stadtkrone und die kluge Einrichtung der Wohnkomplexe, von denen keiner ohne Versorgungs- und Kultureinrichtungen ist - nichts ist dem Zufall überlassen. Hier zeigt sich, dass sich Funktionalität und Schönheit nicht ausschließen, sondern dass gerade in der Architektur die Zweckmäßigkeit notwendige Bedingung für Schönheit ist.


Unser Hochschulwohnheim.


Friedenstaubenmosaik an einer Schule.


Schicke Fassadengestaltung an einem Tanzhaus.


Wasserspiel mit Seehund am städtischen Krankenhaus.


Ehrenmal der Roten Armee.


Brunnenanlage im Stadtzentrum.


Bergbaumosaik im SHD Komes-Hochhaus.


Begegnung mit Julius Fučík.



Das Bahnhofsgebäude.


Im Wohngebietszentrum "Medůza".

Dienstag, 27. November 2007

Einige Gedanken zu Gedenkstätten

Welchen Sinn haben Gedenkstätten? Im Gegensatz zu regulären Grabmälern haben sie Bedeutung nicht nur für die Angehörigen der oder des Verstorbenen. Sie werden angelegt, um einen Sinngehalt zu vermitteln, der sich im besten Fall an alle richtet. Gerade die Stätten des Gedenkens an den Nationalsozialismus machen dies deutlich; erinnern sie doch an die Periode, die das deutsche Nachkriegsgeschichtsbild (bzw. die Geschichtsbilder) am meisten geprägt hat.

Wie weit aber soll die Botschaft gehen, die ein Denkmal vermittelt? In der bundesdeutschen Geschichtspolitik hat sich nach dem Anschluss der DDR ein Urteil über die Gedenkkultur dieses untergegangenen Staates verbreitet, das die einseitige Konzentration auf den kommunistischen Widerstand, bei Vernachlässigung anderer Opfergruppen, sowie die Ziehung einer Traditionslinie von diesem Widerstand zum Aufbau des Sozialismus als ahistorische Legitimationskultur ablehnte. Diesem Urteil entsprechend wurden Gedenkstätten umgestaltet, beseitigt oder dem Verfall überlassen, teilweise wurden auf dem Territorium der ehemaligen DDR auch neue Stätten errichtet. In extremer Weise finden sich diese zwei verschiedenen Gedenkkulturen in folgenden Zitaten:

"Unter Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands nutzten wir diese historische Chance und schufen in mehr als drei Jahrzehnten angestrengter, hingebungsvoller Arbeit unser sozialistisches Vaterland. Die revolutionären Traditionen begleiten unseren erfolgreichen, kampferfüllten Weg, den wir seit 1945 zurückgelegt haben. Gedenk- und Erinnerungsstätten, die wir errichteten, Gedenktafeln, die wir anbrachten, Gedenksteine und Grabinschriften waren und sind uns immer Mahnung und Verpflichtung, alles für das Wohl des Volkes und dafür zu tun, daß von deutschem Boden nie wieder ein Krieg ausgeht. Das gilt heute mehr denn je angesichts der maßlosen friedensgefährdenden Konfrontationspolitik der aggressivsten Kreise des USA-Imperialismus und der NATO." (Franz Rentmeister: Geleitwort, in: Bezirksleitung Potsdam der SED, Abteilung Agitation und Propaganda / Kommission zur Erforschung der Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung bei der Bezirksleitungs Potsdam der SED / Bezirkskomitee Potsdam der Antifaschistischen Widerstandskämpfer der DDR / Rat des Bezirkes Potsdam (Hg.): Historische Gedenkstätten der Arbeiterbewegung, des antifaschistischen Widerstandskampfes und der Befreiung vom Faschismus im Bezirk Potsdam - Von den Anfängen bis zum Jahre 1945. Eigenverlag, Potsdam 1983).

"Die Nachlebenden können Denkmäler nutzen, um sich bewusst zu machen, wie brüchig der Boden ist, auf dem wir unsere politische Zivilisation errichtet haben. Denkmäler aber können und dürfen uns so wenig rechtfertigen wie Erinnerung und Gedenken [...] Uns bleibt heute nur die Möglichkeit, uns zu erinnern. Denn wir können die Vergangenheit so wenig ändern wie manche Position, die in der Nachkriegszeit bezogen wurde [...] [Es] geht immer um die Einsicht in die Gefährdung des Menschen durch sich selbst und die Möglichkeit seiner Selbstbehauptung im Widerspruch und in der demonstrativen Wahrung und Verteidigung seines Anstands, der aus der Kraft des Gewissens erwachsen kann!" (Peter Steinbach: Die Enthausung des Menschen, in: Johannes Heesch / Ulrike Braun (hgg. von Günter Braun): Orte erinnern. Spuren des NS-Terrors in Berlin. Ein Wegweiser. Nicolai, Berlin 2003).

Für die Geschichtspolitik der DDR stellte sich die Frage, welche Lehren aus der Geschichte für die aktuell anstehenden Probleme gezogen werden können. Dabei kam nicht selten eine falsche Ableitung des Faschismus aus dem Kapitalismus heraus, die die Differenzen zwischen faschistischer Diktatur und bürgerlicher Demokratie verwischte und damit in teilweise absurderArt an der politischen Realität vorbei ging. Auf der anderen Seite gab sie sich aber auch nicht mit einem ratlosen Erschaudern vor dem nationalsozialistischen "Zivilisationsbruch" zufrieden, sondern wusste, wenn auch auf oft mehr als platte Weise, dass Krieg, Ausbeutung und politische Unterdrückung nicht verschwinden würden, so lang der Kapitalismus nicht besiegt war.

Statt der Verlagerung des Gedenkens in den Bereich des allgemein Menschlichen (Zivilcourage, Anstand, Gewissen) sollten die Betrachterinnen und Betrachter eines Denkmals also politische Schlüsse aus der Geschichte ziehen und sich in der Gegenwart gegen den Kapitalismus, gegen Krieg und Faschismus einsetzen. Dass dieses gegenwärtige Engagement anders aussehen musste als antifaschistischer Widerstandskampf in den 30er Jahren, und dass für diese gegenwärtigen Aufgaben der Bezug auf bestimmte Traditionslinien opportuner war als der auf andere, kann kaum verwundern. Wollte man mehr als bloßes Trauern um erlittenes Leid und die Bewunderung individuellen Anstands erreichen, musste man sich auf die Linien des Widerstandes konzentrieren, die einen Weg aus dem Kapitalismus als Grundlage, aus der der Faschismus erwächst, hinaus wiesen. Eine solche Linie konnte zwar nie jedem individuellen Einzelschicksal gerecht werden, sie führte in vielen Fällen sogar zu einer Verfälschung des einzelnen Lebens in der offiziellen Erinnerung. Aber der große Verdienst dieser Linie, den man auch heute noch an so gut wie jedem erhaltenen entsprechenden Denkmal der DDR betrachten kann, ist eben, dass sie den Faschismus nicht als eine Naturgewalt oder einen allgemeinen Verlust des Unrechtsbewusstseins darstellte, sondern als historische, das heißt von Menschen gemachte Tatsache, und damit als eine Gefahr, die durch die bewusste revolutionäre Veränderung der gesellschaftlichen Ordnung gebannt werden kann.

Eine stetig wachsende Reihe antifaschistischer Denkmäler ist zu finden im Verzeichnis der DDR-Kunst im öffentlichen Raum.