Dienstag, 24. Juli 2007

Potsdam - Schwimmhalle


Man muss schon einen sehr spitzen Blickwinkel wählen, um diese stählerne Wandkonstruktion erkennen zu können. Das Bild einer schwimmenden Frau, die sich aus dem Wasser der Sonne entgegenreckt, an der Außenwand der Potsdamer Schwimmhalle ist mittlerweile großteils hinter einem Baum verborgen und teilt damit das Schicksal vieler anderer baugebundener Kunstwerke, wie des Mosaiks "Der Mensch bezwingt den Kosmos" von Fritz Eisel am Potsdamer Rechenzentrum oder Walter Womackas "Der Mensch, das Maß aller Dinge" am ehemaligen Bauministerium in Berlin.

Der Vandalismus, mit dem sich die siegreiche Bundesrepublik nach 1990 gegen die Machtsymbole der annektierten DDR wandte, hat viele Formen (hierzu ist auch dieser Artikel zu empfehlen, den Peter Michel am 19. März in der "jungen Welt" veröffentlicht hat). Nicht immer ist es nötig, wie um den Abriss des Palasts der Republik jahrelange parlamentarische Debatten zu führen, in denen sich ohnedies alle beteiligten Parteien in ihrem Antikommunismus einig sind. Viel öfter wurde einfach der Natur das Feld überlassen, indem nötige Pflege- und Sanierungsarbeiten vernachlässigt wurden, so dass bloße materielle Verfallsprozesse erledigen, wofür sich niemand die Hände schmutzig machen will.

In der Stadt Potsdam, deren politische Führung sich seit Jahren bemüht, das Stadtbild auf ein riesiges Museum des preußischen Absolutismus mit einigen wenigen Shopping-Malls neueren Datums zu reduzieren und alle sichtbaren Spuren einer Vergangenheit zwischen 1945 und 1990 auszulöschen, zeigt sich diese Form der Zerstörung besonders deutlich: Von den Wänden der Fachhochschule (ehemals Institut für Lehrerbildung "Rosa Luxemburg") in der Friedrich-Ebert-Straße bröckelt schon seit Jahren der Putz, aber da sie weder klassizistisch, noch barock, noch gotisch, sondern modern gebaut ist, ist sie nicht von touristischem Interesse. Das "Inselcafé" in der Havelbucht modert vor sich hin, der kürzlich geschlossene Hyparschalenbau des "Café Seerose" wird ihm wohl bald folgen.

Und schließlich ist da noch der Brauhausberg, der immerhin der erste Eindruck ist, der sich den am neuen Hauptbahnhof ankommenden Reisenden bietet: In der um die Jahhundertwende entstandenen Kriegsschule, die später die Bezirksleitung der SED beherbergte, ist mittlerweile der brandenburgische Landtag eingezogen. Das Emblem der Einheitspartei am Turm des Gebäudes ist nur zu Teilen abgekratzt; man sieht, dass es sich nur um ein Provisorium handelt, denn irgendwann soll der Landtag ins wiederaufgebaute Stadtschloss umziehen. Das leerstehende "Café Minsk" am Fuße des Bergs, in den 70er Jahren mit Hilfe aus Potsdams weißrussischer Partnerstadt erbaut, verfällt ebenso wie die daneben gelegene Schwimmhalle, die jedoch dabei noch in Betrieb ist. Nach Plänen der Stadtleitung sollte sie einem großen Spaßbad weichen, für das immerhin der Kommunistische brasilianische Architekt Oscar Niemeyer gewonnen werden konnte (wobei allerdings weniger seine politische Position als sein Status als "Star-Architekt" den Ausschlag gab; offenbar wollte die Stadt nun doch einmal dem goßen Nachbarn Berlin nicht völlig das Feld für aufsehenerregende Neubauten überlassen). Das ist nicht nur insofern albern, als es in der Umgebung der Stadt bereits genügend solcher Bäder gibt - auch in künstlerischer Hinsicht könnten selbst die kurvenreichen Linien eines Niemeyer der elegant geschwungenen Dachkonstruktion von Eva Herzog und Karl-Heinz Birkholz nicht viel hinzufügen. Eine schlichte Instandsetzung des Gebäudes würde völlig genügen. Nachdem mittlerweile aber herausgekommen ist, dass die Stadt sich mit ihren Bauplänen finanziell völlig übernommen hat und es mit dem Neubau vorerst nichts wird, könnte eventuell der Weg dafür wieder offenstehen.


Sonntag, 22. Juli 2007

Zweimal Erwin Kobbert

Zahlreiche Kriegstote ruhen auf dem Parkfriedhof im Berliner Stadtteil Marzahn, und dementsprechend reich ist er als Ort des Gedenkens mit Mahn-, Denk- und Ehrenmälern ausgestattet. Verschiedene Künster haben sich hier betätigt, aber am stärksten hat wohl der Bildhauer Erwin Kobbert dem Friedhof seinen Stempel aufgedrückt.


Gleich nachdem man das Eingangstor durchquert hat, stößt man auf ein Mahnmal, das überhaupt nicht zusammenzupassen scheint: Eine Schwurhand, das Symbol des antifaschistischen Kampfes, die auf einem Sockel mit der Inschrift ruht: "Euch Lebende mahnen 3330 Opfer des Bombenterrors". Als ich das Mahnmal zum ersten Mal sah, hielt ich es für eine geschmacklose Umwidmung neueren Datums; zu abwegig erschien mir die Gleichsetzung der sich wehrenden Opfer des Faschismus mit den Toten des alliierten Bombardements, das den Krieg zurück in sein Ausgangsland brachte. Ein Anruf bei der Friedhofsverwaltung ergab jedoch, dass dieses Mahnmal tatsächlich schon seit seiner Aufstellung in der 50er Jahren so ausgesehen hat. Offenbar ließ sich der Künstler von dem verhängnisvollen Faschismusverständnis leiten, welches auch die SED vetrat, nach dem der Faschismus die offene Diktatur der Bourgeoisie gewesen war und demnach die deutsche arbeitende Bevölkerung in gleichem Mape sein Opfer gewesen war wie auch die Insassen der KZs und die Zwangsarbeiter - als ob die breite Masse der Deutschen keinen Anteil an der Herrschaft des Nationalsozialismus gehabt hätte.

Dass er das Leiden der Opfer durch das Leiden der Täter relativieren wollte, kann man Kobbert jedenfalls nicht vorwerfen, schließlich zeichnete er auch verantwortlich für einen Gedenkstein für die Opfer des Nationalsozialismus, der auf diesem Friedhof einst seinen Platz hatte und mittlerweile verschwunden ist.






Vor allem aber ist Kobbert auch der Schöpfer (zusammen mit dem Gartenarchitekten Johannes Mielenz) des sowjetischen Ehrenmals, welches man am äußersten Ende des Friedhofs erst einmal finden muss und das vor allem durch seinen Detailreichtum zu beeindrucken weiß. Schon die Gestaltung der Eingangstore verblüfft und nimmt ein Motiv wieder auf, das vom Ehrenmal in Treptow bekannt ist: Die anstürmenden Granitmassen mit dem Emblem der Kommunistischen Partei, die durch die mit Ranken verzierten Eckpfeiler zurückgehalten werden, vermitteln ein Gefühl dynamischer Bewegung, die für einen Moment innehält, um dem Gedenken Raum zu geben. In einer Grabanlage und einer großen Urne sind über 400 Soldaten der Roten Armee hier beigesetzt, die bei der Einnahme Berlins den Tod fanden. Ein Obelisk mit dem fünfzackigen Stern krönt die Anlage. Die vielen Inschriften, die immer wieder auftauchenden Ornamente Sowjetstern und Eichenblatt sowie das Wappen der UdSSR an der Spitze das Obelisken, in dem auch die mehrsprachige Inschrift "Proletarier aller Länder, vereinigt euch!" nicht vergessen wurde - dieser riesige Arbeitsaufwand, der in das Denkmal gesteckt wurde, zeugt von dem Willen, die eingemeißelten Worte "Euer Ruhm wird Jahrhunderte überleben" Wirklichkeit werden zu lassen.

Kobbert war offensichtlich mehr als überzeugt von der Richtigkeit des antifaschistischen Weges, den die DDR an der Seite der UdSSR eingeschlagen hatte, und sein Denkmal für die Opfer des Bombenkrieges ist ein weiteres Zeichen dafür, wie eng dabei politischer Opportonismus, der um die Notwendigkeit wusste, die eroberte ostdeutsche Bevölkerung in die Ziele der Sowjetunion einzuspannen, mit einer tiefen Überzeugung vieler Beteiligter verknüpft war, dass die verkündete Generallinie mit der historischen Wahrheit identisch sei.

Sommer am Fennpfuhl


Städtische Parks kann man in zwei Kategorien einteilen: solche, die einen Rückzug von der Stadt ermöglichen sollen, und solche, die ihre gebaute Umgebung miteinbeziehen. Der Fennpfuhlpark in Berlin - Lichtenberg gehört zu letzterer Gruppe, und die Wohnhäuser, die von jeder Stelle im Park aus sichtbar sind, umschließen die Grünanlage in so lockerem Rhythmus, dass das Gefühl der Beklemmung gar nicht erst auftaucht, das Stadtbewohner sonst in den Park flüchten lässt. So vermag auch die 1985 von Siegfried Krepp geschaffene "Liegende", vor der Hochhauskulisse nichts von ihrer Ruhe preiszugeben und ebenso entspannt da zu liegen, wie die Parkbesucher aus Fleisch und Blut.

In Potsdam - Waldstadt



Das Potsdamer Viertel "Waldstadt" ist eine jener Siedlungen, die in den 70er und 80er Jahren unter der Honecker-Führung in allen größeren Städten der DDR in Großplattenbauweise errichtet wurden, um endlich des chronischen Wohnungsmangels Herr zu werden. Auch wenn sich diese Wohngebiete für das ungeübte Auge wenig unterscheiden, lohnt es sich so gut wie immer, diese Stadtteile mittels eines Spaziergangs zu erkunden, und sei es nur, um eine Wegeführung zu genießen, die man im Straßennetz kapitalistischer Städte vergeblich suchen wird: Die Fußgängerbereiche sind hier nicht dem Autoverkehr untergeordnet, sondern ihm gleichgestellt und so weit wie möglich von ihm getrennt, so dass man nicht ständig innehalten muss, um auf passierende Autos zu achten. Die Waldstadt hat außerdem den besonderen Reiz, dass sie, wie ihr Name schon sagt, direkt an einen Wald anschließt und mit diversen Bäumen durchsetzt ist, die angenehme Erholungsräume zwischen den Häuserblöcken bilden.

Ein grundlegendes Problem der neuen, industriell gefertigten Stadtviertel beschreibt der Architekt Achim Felz, der unter Honecker an der Neugestaltung verschiedener Innenstädte beteiligt war, in seinem Buch "Babylons Töchter" (Berlin 1983): "Die hohe Zahl der Wohnungen zusammen mit der Tatsache, daß industrielles Bauen möglichst große Serien gleicher Erzeugnisse verlangt, macht die Aufgabe vom Gestalterischen her nicht gerade leichter. So sehen sich zahlreiche Häuser zum Verwechseln ähnlich, und manche gute Lösung wird durch ihre vielfache Wiederholung langweilig." Die fast ausschließliche Verwendung fünfgeschossiger Häuser im typischen Bautyp des DDR-Massenwohnungsbaus, der WBS 70, wird allerdings hier in hübscher Weise aufgelockert durch die Erzeugung von Mustern auf den Wänden mittels unterschiedlich gefärbter Bauplatten und durch Aufsätze an den Eingängen, die den Straßenzügen jeweils ein individuelles Gepräge geben: bunte Mosaikmuster und Tierfiguren aus Keramik und Metall erleichtern das Zurechtfinden gerade für Kinder, die sich nicht an Hausnummern und Straßenschildern orientieren können, und die es hier, im Gegensatz zu vielen anderen Neubauvierteln der ehemaligen DDR, auch noch zahlreich gibt. Das Wohngebietszentrum, wo die gesellschaftlichen Einrichtungen und Versorgungsstellen konzentriert sind, wird außerdem durch einige Hochhäuser markiert, die schon von weitem den Weg weisen.



An öffentlichen Gebäuden spielt, neben der bloßen Ornamentik, auch die regelrechte Kunst am Bau eine wichtige Rolle. Kindergärten und -krippen erfuhren, was das angeht, in der DDR eine besondere Zuwendung, und die Künstler zeigten sich hier oft besonders verspielt (wie auf dieser Seite bereits zweimal Thema war - hier und hier). Bei dieser, inzwischen von der Arbeiterwohlfahrt betriebenen Kinderkrippe, wurde dankenswerterweise die alte Backsteindekoration an den Eingängen - Händchen haltende Kinder und ein Dampfer - nicht nur beibehalten, sondern es wurden auch die neuen Wandmalereien darauf abgestimmt.



Ein weiterer wichtiger Faktor, um ein Gefühl der Heimischkeit zu erzeugen, ist die Markierung öffentlicher Plätze durch Kunstwerke, und in dieser Hinsicht fällt es gerade im Vergleich zu dem auf dieser Seite bereits beschriebenen Berlin - Hellersdorf positiv ins Gewicht, dass Potsdam - Waldstadt noch vor dem Ende der DDR fertiggestellt wurde. Die Skulpturen in der Waldstadt sind allesamt freundlich, optimistisch, beinahe naiv, und somit dem Charakter einer Familiensiedlung angemessen. So trifft man vor einer Kaufhalle im Süden der Siedlung auf eine Statue, die das Thema des Waldes aufnimmt und in stilisierter Baumform zwei Kinder unter einem Schwarm Vögel zeigt (ich nehme an, es handelt sich um Hänsel und Gretel...).


Am nördlichen Rand des Viertels steht vor einem Kliniksgebäude dieser leider mittlerweile sehr lädierte Totempfahl, in den zahlreiche Gesichter und Tiere eingearbeitet sind, so dass man lange Zeit damit verbringen kann, jedes einzelne zu betrachten.




Schließlich wartet ein kleiner Park im Zentrum noch mit Material für die sechste Folge der Reihe "Steinerne Tierwelt der DDR" auf: Ein Vogel, ein Fisch und ein Elefant, die sich durch die in sie getriebenen großen Löcher nicht nur als Kunstwerke, sondern auch als Klettergerüste für Kinder qualifizieren.