Samstag, 16. Juni 2007

Familie Grün


Die Buhlmanns aus Neu Fahrland wurden von mir schon einmal für ihren Beitrag zu Kinderfreuden in Potsdam gewürdigt. Hier sehen wir ihr bekanntestes und am prominentesten platziertes Werk, die Figurengruppe "Familie Grün" an der Ecke Brandenburger Straße / Lindenstraße. Die Skulptur ist in der gleichen Arbeitsteilung entstanden wie das Relief an der Havelbucht: Carola B. schuf die Keramikfiguren, Joachim B. bemalte sie. Ihren Namen erhält die Familie offensichtlich durch die Farbe ihrer Kleidung; ob die Farbe allerdings noch eine tiefere Bedeutung hat, weiß ich nicht zu sagen. Das schelmisch zugekniffene Auge des Vaters lässt es zumindest vermuten...

Kinderfreuden in Marzahn



Drachen wurden auf dieser Seite schon desöfteren gezeigt (nämlich hier und hier), und ich frage mich, ob das Drachensteigenlassen heutzutage eigentlich immer noch so ein selbstverständlicher herbstlicher Zeitvertreib für Kinder ist wie in der Zeit, als dieses hübsche Wandrelief an einem Kindergarten in Berlin - Marzahn geschaffen wurde. An dem Gebäude in der Bruno-Leuschner-Straße (heute: Raoul-Wallenberg-Straße) taucht das Drachenmotiv gleich zweimal in unterschiedlicher Form auf: Einmal als wirklicher Drache, der von einem kleinen Jungen geführt wird (schaut man allerdings auf die Beine des Untiers, so zeigt sich, dass wir es hier in Wirklichkeit mit verkleideten Kindern zu tun haben), und das andere Mal als Drachen, den man, aus Holz und Papier gefertigt, zum Himmel aufsteigen lassen kann. Um das zu erkennen, braucht man heute allerdings ein wenig Fantasie, denn die Drachen selbst sind von der Wand entfernt worden. Nur noch die Körperhaltung der Kinder, Löcher in ihren Händen und die Reste der Befestigung an der Dachkante weisen darauf hin, dass hier einmal in hübscher Konstruktion Fluggeräte angebracht waren, die mit Seilen von den Kindern gehalten wurden.

Zweimal Werner Richter



In in den Berliner Stadtteilen Prenzlauer Berg und Treptow finden wir zwei antifaschistische Denkmäler des Bildhauers Werner Richter. Sie befinden sich an der Ecke Dimitroffstraße (heute Danziger Straße) / Diesterwegstraße bzw. an der Ecke Dörpfeldstraße / Nipkowstraße und fallen dadurch auf, dass sie das klassische Symbol der Opfer des Faschismus, den Winkel der politischen Häftlinge, in mehrfacher Ausführung von unterschiedlicher Größe und in unsymmetrischer, geschichteter Anordnung variieren. Die Winkel scheinen aus der Fläche der Denkmäler herauszutreten und führen das stille Gedenken so über in dynamische Bewegung. Das wird besonders deutlich beim zweiten Denkmal, das nicht die Form einer Wand, sondern einer Stele hat, die von geringerer Breite als die Winkel ist, so dass letztere in der Luft zu schweben scheinen.

Die Inschrift am ersten, 1979 errichteten Denkmal lautet: "Zum Gedenken / an die vom Faschismus / ermordeten / Widerstandskämpfer / Berlin - Prenzlauer Berg". Das zweite, 1977 aufgestellte erinnert an die aus den Reihen der KPD stammenden, von den Nazis ermordeten Antifaschisten Otto Nelte, Willi Gall und Walter Gerber. Neben der Stele steht eine Tafel mit den Worten "Zum Gedenken / an die heldenhaften / Widerstandskämpfer gegen / die faschistische Barbarei / Ihr Vermächtnis hat sich / in der sozialistischen / Deutschen Demokratischen / Republik erfüllt."

Die Konzentration auf den antifaschistischen Widerstand, besonders den kommunistischen, durch die sich das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus in der DDR auszeichnete, wird heutzutage oft genug beklagt. Dass andere Spektren des Widerstands und Opfer, die einfach nur Opfer waren und zum Widerstand nicht Mut oder Gelegenheit hatten, weniger oder gar nicht gewürdigt wurden, ist natürlich vom Standpunkt einer historischen Genauigkeit kritikwürdig, schließlich könnte man anhand der vielen antifaschistischen Denkmäler in der DDR meinen, das deutsche Volk habe von 1933 bis 1945 zu mindestens 90% aus Gegnern des Nationalsozialismus bestanden.

Aber Kunst kann sich nicht an dem Maßstab historischer Genauigkeit messen, nach dem sich die Wissenschaft zu richten hat. "Im Gegensatz zur wissenschaftlichen Aneignung der Wirklichkeit durch Erkenntnis von Gesetzen steht die ästhetische in Form von Wertungen. [...] [Sie] befaßt sich nicht damit, was und wie das gegebene Objekt ist, sondern welche Bedeutung, welchen Wert es für uns hat." (E. Plojhar: Von der Notwendigkeit der Architektur. Wien 2001) Kunst spiegelt die Wirklichkeit nie einfach nur wider, sondern bricht sie sozusagen durch ein subjektives Prisma: Der Gegenstand der künstlerischen Darstellung wird in Beziehung gesetzt zu den Zielen und Idealen des Künstlers, die bei unserem Thema, der Denkmalsschöpfung in der DDR, gleichbedeutend sind mit den Zielen und Idealen der Gesellschaft, schließlich waren hierfür in der Regel Staat oder Bezirksverwaltung Auftraggeber. "Das Ideal ist das Resultat produktiver Vorstellungskraft, dem Realen ähnlich und zugleich von ihm unterschiedlich. Es entsteht aus der geistigen Umsetzung des Existierenden, um etwas Nichtexistierendes, aber Erwünschtes oder Notwendiges, Mögliches oder Unmögliches, Phantastisches oder Utopisches zu schaffen." (ebd.)

Ein Denkmal dient nie einfach nur der Würdigung einer Person oder eines Ereignisses, sondern hat immer auch die Funktion (ob beabsichtigt oder nicht), etwas über die Gegenwart und eine gewünschte Zukunft auszusagen. Wenn in den oben abgebildeten Denkmälern der politischen Gegner statt der bloßen Opfer des Nationalsozialismus gedacht und eine direkte Linie von deren Kampf zum sozialistischen Aufbau in der DDR gezogen wird, dann drückt sich darin in erster Linie ein Appell an die Lebenden aus: So wie diese Menschen gegen den Faschismus kämpften, sollt ihr für die Errichtung und Verteidigung des Sozialismus kämpfen. Und das ist doch ein gutes Ziel.

Sonntag, 10. Juni 2007

Steinerne Tierwelt der DDR #5





Unser Ludwigsfelde-Marathon (siehe hier und hier) endet mit einem Fragezeichen, denn bei den folgenden Betontieren bin ich mir, da sich ihre Formen doch sehr von ihren hier bereits vorgestellten Artgenossen unterscheiden, nicht sicher, ob sie wirklich noch aus sozialistischen Zeiten stammen. Nichtsdestotrotz sei auf Pferd, Frosch, Schildkröte und besonders den röhrenden Hirsch hingewiesen, die sich allesamt im Plattenbaugebiet Ludwigsfelde-Nord tummeln.

Antifaschistisches Gedenken in Ludwigsfelde




Die Ernst-Thälmann-Straße in der östlichen Hälfte des durch eine Autobahnbrücke geteilten Ludwigsfelde ist mit gleich drei antifaschistischen Gedenkstätten bedacht. In einer Stadt, in der im Nationalsozialismus Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge für die deutsche Rüstung schuften mussten, ist das auch mehr als angebracht. An den Namensgeber der Straße erinnern eine Plakette und ein Gedenkstein nahe der Schule, und direkt auf dem Schulhof ist ein Gedenkstein für Arthur Ladwig aufgestellt, nach dem auch das Kulturhaus der Stadt früher einmal benannt war. Stefanie Endlich (Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus, Band II. Bonn 1999) erklärt Ladwig als "einen kommunistischen Arbeiter aus Berlin, der nach acht Emigrationsjahren 1941 nach Ludwigsfelde kam, um im Flugmotorenwerk eine oppositionelle Gruppe aufzubauen. Mehr als 100 Personen sollen dieser Gruppe angehört haben, die unter deutschen Kollegen für den Widerstand warb und Kontakte zu Zwangsarbeitern hatte. Etwa 40 von ihnen wurden im Mai 1943 verhaftet [...]. Ladwig wurde am 10. Juli 1944 im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet."

Ludwigsfelde - Lied vom Sturmvogel


Das "Lied vom Sturmvogel" von Maxim Gorki ist an diesem Haus an der Ecke Maxim-Gorki-Straße / Potsdamer Straße bildlich dargestellt. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich das Gedicht nicht kenne. "Meyers Neues Lexikon" informiert aber in seinem fünften Band (Leipzig 1973): "Mit dem 'Lied vom Sturmvogel' (1901; dt. Nachdichtung von B. Brecht), mit dem er zum Kampf gegen die zaristische Ordnung aufrief, wurde G. zum Verkünder des proletarischen Revolutionsgedankens." Das Thema ist somit für die ab 1951 erbaute erste sozialistische Wohnstadt im Bezirk Potsdam passend gewählt, aber die Darstellung der tapsigen Pinguine wirkt inmitten der Beschaulichkeit der niedrigen, kleinteilig verzierten Häuser mit Spitzdächern eher bieder als revolutionär.

Trotz der Orientierung an der "nationalen Bautradition" ist aber das Viertel sehr schön angelegt; die fortschrittlichen Momente der frühen sozialistischen Stadtplanung sind in diesem an Licht, Luft und Grünflächen reichen Wohngebiet deutlich sichtbar. "In dieser Zeit konnte damit begonnen werden, die städtische Umwelt so zu gestalten, daß nicht mehr das Einzelgebäude, sondern vielmehr das städtebauliche Ensemble den Raum für das gesellschaftliche Leben der Menschen einnimmt. In dieser Entwicklungsrichtung ist der wahrhaft revolutionäre Zug des Städtebaus dieser Zeit zu erkennen. Formale Kriterien, die bis hin zum 'Zuckerbäckerstil' reichen, gehen am Kern der Sache vorbei." (W. Günther: Gebaute Umwelt. Leipzig / Jena / Berlin 1977).

Konzipiert wurde die Siedlung übrigens von Karl Gottfried Pust, Wilm Stolze und Walter Funcke. Letzterer ist auf dieser Seite kein Neuling: Er war auch an der Umgestaltung der Potsdamer Freundschaftsinsel in den 70er Jahren und am Bau des Karl-Liebknecht-Forums beteiligt.