Samstag, 2. Juni 2007

An der Potsdamer Havelbucht





Das 1966 - 1973 nach Entwürfen von W. Berg, H. Kiklas und H. Karn gebaute Viertel bezeichnet der Tourist Stadtführer Atlas (siehe auch hier) ganz zurecht als wohl schönstes Potsdamer Neubaugebiet: hohe Häuser, zwischen denen ausreichend Platz ist, um den Ausblick aus dem Fenster auf die Neustädter Havelbucht auch genießen zu können; Wiesen, vom innerstädtischen Durchgangsverkehr befreit und mit allerlei Statuen durchsetzt; und nicht zuletzt das Café Seerose, ein verglaster Betonschalenbau von U. Müther, der dem Viertel gewissermaßen die Krone aufsetzt (der allerdings leider seit einigen Monaten nicht mehr genutzt wird). Das entspannte Gefühl, welches das Leben hier vermittelt, fangen diese beiden Skulpturen gut ein.


Nachtrag: Ein eben getätigter Anruf beim "Club Maritim", der die "Seerose" bisher verwaltete, ergab, dass dieser das Gebäude mittlerweile aufgegeben hat. Vielleicht findet sich ja eine Bürgerinitiative zum Erhalt des Baus?

Ein Ausflug nach Potsdam - Hermannswerder

Freitag, 1.6.2007


Schon seit längerem hatte ich vor, mir den Potsdamer Stadtteil Hermannswerder anzuschauen, was bislang immer an seiner schlechten Erreichbarkeit (nur alle 20 Minuten fährt ein Bus dorthin) gescheitert war. Diesmal erwischte ich aber glücklicherweise rechtzeitig den Bus am Hauptbahnhof und gelangte so zu der kleinen, mir bislang gänzlich unbekannten Halbinsel in der Havel.


Meine Erkundung begann recht ernüchternd, denn die Gegend um die Endhaltestelle war alles andere als schön: Die beiden Inselarme Küssel und Tornow bestanden nur aus je einer schmalen Straße, die links und rechts von Einfamilienhäusern gesäumt war. Hier zeigte sich einmal wieder der große Mangel dieser Wohnform: Die Parzellierung und Einzäunung der Grundstücke führt dazu, dass jedem nur ein winziges Stückchen Bewegungsraum zur Verfügung steht. An sich wäre diese Gegend perfekt, um Uferspaziergänge zu machen, aber da das gesamte Ufer unter die einzelnen Grundstücksbesitzer aufgeteilt ist, kann jeder von ihnen nur ein paar Meter davon nutzen. Zwischen den Häusern, Bäumen und Hecken sah ich immer wieder die Wohnhochhäuser am gegenüberliegenden Ufer aufscheinen, und ich bin mir sicher: Wenn ich hier wohnen würde, würde ich ständig sehnsüchtig nach drüben schauen und von den dortigen weitläufigen Wiesen träumen, auf denen man sich frei bewegen kann.



Das Ortszentrum war dann schon um einiges freundlicher. Fast sämtliche Gebäude hier sind aus Backsteinen gebaut, und ihre Proportionen (extrem hoch bei verhältnismäßig geringer Breite) lassen mich architektonisch Halbgebildeten vermuten, dass es sich hier wohl um Backsteingotik handelt. Die ruhige Wasserlage, das viele Grün und ein verlassener Wasserturm erzeugen eine eigentümlich romantische Stimmung. Die Bebauung ist geprägt durch die Hoffbauer-Stiftung, die hier zwischen 1891 und 1911 eine Schule, ein Krankenhaus u. ä. errichtete, die heute allesamt in kirchlicher Hand sind. Überhaupt scheint es, als wäre diese Gegend, nicht zuletzt dank der relativ isolierten Lage, eines der wenigen Wohngebiete mitten in Ostdeutschland, in denen Kinder in völliger kirchlicher Prägung aufwachsen können – eine unangenehme Vorstellung.


In der Nähe der Schule folge ich einem Trampelpfad ans Ufer, wo offenbar findige Jugendliche zwei Holzblöcke als Sitze hinterlegt haben. Auf dem Boden liegen leere Orangensaft-Tetrapäckchen und M&M’s-Tüten. In Berlin hätte ich an solch einer Stelle wohl Zigarettenstummel gefunden. Ich muss lächeln; hier scheint es tatsächlich noch klassische Fünf-Freunde-artige Jugendgruppen zu geben, und ich stelle mir vor, wie örtliche Erwachsene die junge Detektivgruppe beauftragen, den Fall des verschwundenen Apfelkuchens aufzuklären. Am westlichen Ende der Insel will ich durch eine verwilderte Wiese ans Ufer gehen, halte aber inne, als ich an einem Busch ein unidentifizierbares Kleidungsstück hängen sehe und dahinter Gekicher höre. Da ich der Jugend hier inzwischen jedes Klischee zutraue, vermute ich Schulkinder, die sich in der großen Pause zum Nacktbaden hierher begeben haben, und kehre schleunigst um, um eine peinliche Situation zu vermeiden.


Alles in allem ist die dörfliche Idylle zwar zeitweise ganz hübsch, aber auf Dauer doch schwer auszuhalten, und so bin ich froh, als ich an eine Fähranlagestelle komme. Ich besteige die Fähre zum gegenüberliegenden Neubaugebiet Auf dem Kiewitt und bin endlich wieder zurück in meiner Welt.

Freitag, 1. Juni 2007

Zwei Armeedenkmäler in Woronesh



Auch für die Sowjetunion galt: Der Frieden muss bewaffnet sein. Nach dem Bild einer Friedenstaube aus Woronesh sollen deswegen nun zwei dortige Denkmäler der Roten Armee Thema sein. Dabei handelt es sich um das Denkmal der tapferen Panzerfahrer auf dem Prospekt Patriotov (Sowjetskij Rajon), geschaffen 1975 von P. P. Danilenko, und das nahe gelegene Denkmal der Piloten der Zweiten Luftwaffe, die im Kriegsjahr am Woronesher Himmel getroffen wurden - diesen langen Titel gibt zumindest der Reiseführer "Russkij Gorod Woronesh" an (O. K. Kretowa, Woronesh 1986), der mir neben einem 2006 erschienenen Stadtplan aus der Reihe "Goroda Rossii" als einzige Quelle dient. Die beiden Denkmäler beschränken sich auf die monumentale Darstellung des Kriegsgeräts, ohne zu zeigen, wofür die Soldaten in diesen Gefährten eigentlich gekämpft haben; wofür es sich für sie zu kämpfen lohnte. Sie sind damit recht traurige Zeugnisse dafür, dass der offizielle Bezug auf den "Großen Vaterländischen Krieg" nie nur die Verteidigung des Sozialismus gegen seine faschistischen Feinde würdigte, sondern leider stets auch ein Moment von Chauvinismus enthielt.

Donnerstag, 31. Mai 2007

Zwei Plastiken im Eisenhüttenstädter Altenheim



Da die AutorInnen des "Eisenhüttenstadt Blog" in letzter Zeit reges Interesse an meiner Seite gezeigt haben, sollen hier zwei weitere Kunstwerke aus dieser Stadt vorgestellt werden. Es handelt sich dabei um einen eisernen Baum, auf dessen Ästen Tauben sitzen, und um eine Figur aus Ton (?): eine Frau und ein Mann, der Kleidung nach als Bauern erkennbar, die auf einem riesigen Huhn sitzen. Der Vogelbaum ist nicht schwer zu deuten; die Tierplastik war schließlich eines der wichtigsten Sujets der Kunst im öffentlichen Raum in der DDR. Die auf dem Huhn Sitzenden dagegen erschließen sich mir nicht sofort; vielleicht wird hier eine Märchenszene dargestellt?

Beide Skulpturen stehen im Garten des städtischen Altenheimes in der Poststraße, eines sehr schönen, in seiner Anordnung an ein Schloss erinnernden Plattenbaus. In dem Garten finden sich auch noch eine Reihe weiterer Kunstwerke, die zum Lustwandeln einladen.

Steinerne Tierwelt der DDR #2


In Fortsetzung dieses Beitrags, und weil dieser Seite unlängst zwei Kommentare zum Thema Eisenhüttenstadt zuteil wurden, sei auf einen Widder aus Beton hingewiesen, der in einem mittlerweile vielleicht schon abgerissenen Wohngebiet in Eisenhüttenstadt steht. In der Nähe tauchte auch das hier bereits abgebildete Nilpferd wieder auf, und selbst eine recht unheimlich wirkende große Fliege war zu sehen.

Die Tiere im oben verlinkten Beitrag wurden übrigens in Potsdam - Innenstadt (Nilpferde), Potsdam - Am Stern (Fisch) und Berlin - Hellersdorf (alle übrigen) fotografiert.

Mittwoch, 30. Mai 2007

Woronesh - Wandbilder am Leninskij Prospekt



Wieder eine Friedenstaube. Der Leninskij Prospekt bildet die zentrale Achse des Lewobereshnij Rajon ("am linken Ufer gelegener Bezirk", nach der Lage östlich des städtischen Stausees), eines Neubaugebietes im Ostteil der russischen Stadt Woronesh. Auf zweien der Backsteinhäuser, die für den Bezirk charakteristisch sind, fand ich diese Wandbilder aus Metallstäben. Leider haben sowohl das kitschige Friedensbild, als auch das bloße Feiern der Produktivkräfte für sich genommen wenig Aussagewert. Einzig in ihrem Zusammenwirken (von dem man aufgrund der nicht allzu entfernten Lage der Bilder und ihrer ähnlichen Ausführung annehmen kann, dass es gewollt war) deuten sie einen sozialistischen Gehalt zumindest an.

Eisenhüttenstadt / Schwedt - Weltkugel






Sowohl in Schwedt (Oder) als auch in Eisenhüttenstadt ist diese metallene Weltkugel zu finden, und es ist anzunehmen, dass auch in anderen Orten Abgüsse von ihr stehen. Viele Länder und Regionen sind durch Reliefs bedeutender Bauwerke und natürlicher Gegebenheiten gekennzeichnet, und typische Tierarten sitzen sozusagen auf den jeweiligen Ländern. Die Detailfreude erinnert ein wenig an die Zeiten, als man auf Landkarten auch die Seeungeheuer im Meer nicht aussparte.

Das Foto der Gesamtansicht stammt aus Eisenhüttenstadt, die Detailbilder aus Schwedt.

Kostrzyn nad Odrą - unbekanntes Denkmal


Direkt vor einem Kostrzyner Schulgebäude steht dieses Denkmal: ein hochaufragender Betonpfahl, dessen Spitze vom polnischen Adler in mehrfacher metallener Ausführung gekrönt wird. Der Pfahl steht auf einer flachen Stufenanlage. Diese wird von einer geschwungenen, in drei Streifen unterteilten Wand mit einer kleinen, rechteckigen Öffnung begrenzt.

Über Anlass und Aussage des Denkmals kann ich nur Vermutungen anstellen, denn die Tafeln, deren Spuren am Pfahl noch zu sehen sind, wurden inzwischen entfernt. Bedenkt man aber Erfahrungen, wogegen sich die Bilderstürmerei im konterrevolutionären Polen für gewöhnlich richtet, sowie die Gestaltung und das augenscheinliche Alter des Materials, dann liegt die Vermutung nahe, dass es sich hier um ein Denkmal der polnischen Volksrepublik handelt. Nachdem man die Tafeln entfernt hatte, die vielleicht mit Texten und/oder Bildreliefs die neue soziale Ausrichtung des Landes benannt hatten, hat das Denkmal heute keine andere Aussage mehr als polnischen Nationalismus.

Montag, 28. Mai 2007

Berlin - Friedenstauben in der Leipziger Straße



1969, zum 20. Jahrestag der Gründung der DDR, wurde im ganzen Land eine Reihe bedeutender Bauvorhaben unternommen. In diesem Zusammenhang erfolgte auch die Rekonstruktion der im Kriege zerstörten Leipziger Straße nach Entwürfen der Kollektive J. Näther und W. Strassenmeier als moderne Wohn- und Einkaufsstraße, die in unmittelbarer Nähe zur Staats- und Systemgrenze die Überlegenheit der sozialistischen Gesellschaft demonstrieren sollte. An zwei Scheibenhochhäusern auf der Nordseite der Straße befinden sich diese beiden Wandbilder.


Kaum ein politisches Symbol fand in der DDR so oft Verwendung wie die Friedenstaube, und es stimmt ärgerlich, dass ein Staat, der den Anspruch hatte, den Sozialismus aufzubauen und im Systemkampf an vorderster Front gelegen war, sich ausgerechnet den Frieden so stark auf die Fahnen schrieb. Doch die sozialistische Ordnung war hier nicht durch eine Volkserhebung entstanden, sondern durch die sowjetischen Besatzer einer Bevölkerung übergestülpt worden, die an Hitler nicht viel mehr auszusetzen hatte, als dass er den Krieg verloren hatte. Zudem stellte die innere ökonomische Konsolidierung für die Regierung das dringendste Problem dar, und dafür war ein friedliches Umfeld notwendig. Die Fixierung auf die Rolle als Friedensstaat, die den internationalen Klassenkampf immer mehr hinter der Freude an der eigenen konstruktiven Rolle auf dem Weltparkett verschwinden ließ, war ein wesentlicher Grund dafür, dass dieser Staat 1990 gänzlich kampflos von der Bühne der Geschichte verschwand.

Berlin - Spitteleck






An einer der Außenwände des „Spitteleck“ in Berlin – Mitte befinden sich diese niedlichen Bilder von Tieren, Blumen und Kindern, die als Vertiefungen in die Wandplatten eingearbeitetet sind. Es ist anzunehmen, dass hier früher einmal ein Kindergarten seinen Platz hatte.


Über das Gebäude wissen H. Prang und H. G. Kleinschmidt (Durch Berlin zu Fuß, Berlin / Leipzig 1990) folgendes zu berichten: „Diese Straße [die Wallstraße] erinnert an die alte Stadtbefestigung und folgt deren ehemaligem Verlauf. Ihr Beginn wird am Spittelmarkt von einem modernen Wohnblock, dem Spitteleck, markiert, der in seiner Gestaltung die Beziehungen zu den Hochhäusern der Leipziger Straße und zu den angrenzenden Altbauten der Wallstraße berücksichtigt. Der monolithische Betonbau mit 295 Wohnungen wurde von einem Kollektiv des BMK Ingenieurhochbau Berlin unter Leitung von Eckart Schmidt entworfen, das dafür im Jahre 1986 mit dem Architekturpreis der Hauptstadt ausgezeichnet wurde.“




Die Gestaltung ist tatsächlich insoweit gut gelöst, als die Altbauten und der historische Ort des Spittelmarkt harmonisch in das neue Stadtbild eingebettet sind. Allerdings geht die Orientierung des Baus am alten Straßenverlauf so weit, dass er im Winkel von Wallstraße und Seydelstraße einen Hinterhof bildet, der in seiner Isolation und Enge das genaue Gegenstück zu den breiten Balkons und dem freien Blick der Straßenseite bildet. Dieser Ansatz, im Prinzip Altbauten mit modernen Mitteln zu schaffen, fand in den 80er Jahren im Zuge der Rekonstruktion historischer Stadtzentren oft Anwendung und zeigt den Niedergang der DDR-Stadtplanung auf, die nicht mehr die spezifisch neue Qualität der sozialistischen Gesellschaft zum Ausdruck zu bringen versuchte, sondern sich immer mehr an historischen Vorbildern orientierte.



Die blinkende Coca-Cola-Leuchtreklame auf dem Dach wurde irgendwann in den 90er Jahren aufgesetzt und ist einer der sympathischeren Auswüchse der kapitalistischen Wiedereroberung der Hauptstadt der DDR, da hier wenigstens nicht preußischer Elitarismus, sondern US-amerikanische Kulturindustrie das Leitbild ist.

Dresden - unbekanntes Denkmal


Auf dem ehemaligen Geländer der Robotron-Werke in Dresden befindet sich diese Skulturengruppe, deren Scheitelpunkt einige nebeneinander stehende Figuren bilden, die gemeinsam die Fäuste in den Himmel recken. Diese recht eindeutig politische Geste veranlasste mich, das Bild unter die Kategorie "Denkmäler" einzuordnen. Weitere gesicherte Informationen über das Kunstwerk konnte ich nicht erhalten. Die einzigen dürftigen Hinweise, die ich noch finden konnte, sind diese: Ein Wettbewerbsbeitrag zur Umgestaltung des Platzes spricht von der "Figurengruppe des Proletarischen Internationalismus", und die Architekturseite "Das neue Dresden" meint, das Kunstwerk sei in den 80er Jahren errichtet worden. Über nähere Informationen würde ich mich freuen...

Ein Ausflug nach Leipzig

Freitag, 23. bis Sonntag, 25.3.2007


Schon seit längerem hatten wir geplant, gemeinsam eine Reise zu unternehmen. Nachdem das ursprünglich geplante Ziel Usti Nad Labem sich als zu zeit- und geldaufwändig erwies, fuhren wir letztendlich nach Leipzig. Ich war vor einigen Jahren schon einmal da gewesen, als ich noch überlegte, dorthin zu ziehen, hatte jedoch aufgrund des regnerischen Wetters und meines damals noch fehlenden Interesses an Architektur, Städtebau und realsozialistischer Geschichte nicht viel von der Stadt mitbekommen.


Dank der schnellen und billigen Interconnex-Verbindung kamen wir früh morgens bei strahlendem Sonnenschein am Hauptbahnhof an. Ich war hier schon mehrmals umgestiegen, aber erst jetzt nahm ich wahr, wie imposant die riesige Halle dieses Kopfbahnhofs ist.


Mit der Straßenbahn fuhren wir in die Südvorstadt zu einem Bekannten, der uns dankenswerterweise angeboten hatte, bei ihm unterzukommen. Die Wohnung befand sich in einem merkwürdigen Backsteinhauskomplex, der an eine alte Fabrik erinnerte, und war gut geschnitten und geschmackvoll eingerichtet. Er war sehr zuvorkommend, überließ uns ein Zimmer mit großem Bett und Fernseher und frühstückte gleich mit uns.


Gleich nach dem Frühstück unternahmen wir unseren ersten Ausflug, der uns in die Stadtmitte führte. Glücklicherweise hatte ich mir einen Tag vor unserer Abreise den Architekturführer DDR – Bezirk Leipzig gekauft, sonst hätte ich mich wohl kaum ausreichend zurecht gefunden, denn das Zentrum war wegen der größtenteils erhaltenen vorsozialistischen Stadtstruktur teilweise sehr unübersichtlich, und hinter jeder Ecke lauerte wieder ein interessantes Gebäude oder eine schöne Statue, die betrachtet sein wollten. Besonders hatte es mir der Karl-Marx-Platz (heute Augustusplatz) angetan, der von dem wirklich unglaublichen Gewandhaus, dem Universitätshochhaus und dem alten Schauspielhaus bestimmt wurde, sowie die dahinter liegende kleine Grünanlage mit dem Schwanenteich, an dessen Nordostecke ein Wohnhochhaus mit sich drehendem Messelogo auf der Spitze steht.


Am Samstag nahmen wir die vorher durch den Regen unterbrochene Route wieder auf und gingen durch das Alte Messegelände, vorbei am beeindruckenden, aber sehr verfallenen Sowjetischen Pavillon, zum Denkmal der Völkerschlacht von 1813. Auch hierfür fällt mir kein besseres Wort ein als „beeindruckend“, obwohl „beängstigend“ es wohl auch träfe. Die ganze Anlage vermittelt einem das Gefühl, als Einzelner klein und verloren zu sein und nur als Teil des nationalen Kollektivs wirklich einen Lebenssinn zu haben. Als Leipzig noch sozialistische Großstadt war, wurde diese Wirkung abgemildert durch die Gestaltung der auf das Denkmal zuführenden Straße des 18. Oktober mit ihren Wohn- und Gesellschaftsbauten. Jetzt aber, nachdem die Stadt Teil des neuerstandenen Großdeutschland ist, wirkt das Mal umso unheimlicher.


Dass in Leipzig, welches 1989 eines der Zentren der Konterrevolution war, der Antikommunismus auch heute noch um einiges stärker verbreitet ist als in anderen Städten, merkte ich auch am Südfriedhof, dessen Hauptachse früher Denkmäler für wichtige Etappen der Geschichte der Arbeiterbewegung säumten, unter anderem für die gefallenen Gegner des Kapp-Putsches. Heute sind diese verschwunden und durch ein Schild ersetzt, das die DDR dafür anprangert, dass in ihr der Staat „selbst vor Friedhöfen nicht Halt machte“.


Unser Weg führte weiter vorbei an verschiedenen Neubaukomplexen im Südosten. In Marienbrunn aßen wir in einem Dönerimbiss Schnitzel und sahen uns irgendeinen Bollywoodfilm an, der nebenher auf dem Fernseher lief. Die Angestellten hatten große Schwierigkeiten, unseren Bestellungen nachzukommen, da ihre Chefin gerade nicht im Hause war und sie keine Ahnung von der Angebotsstruktur des Ladens hatten. Das Schnitzel war jedoch enorm groß und sehr lecker, so dass wir gestärkt waren für den weiteren Weg. Dieser führte uns in den Wohnkomplex „Johannes R. Becher“ in Lößnig, der an einem künstlichen See am Stadtrand gelegen ist. Am Ufer fanden wir bei einer kleinen Pavillonanlage schöne, sehr freizügige Aktskulpturen, die dem Wetter und dem Ort angemessen waren.


In Dölitz schließlich gingen wir durch einen weiteren in industrieller Bauweise entstandenen Komplex, sowie durch die interessant angeordnete 20er-Jahre-Wohnanlage „Rundling“. Der Genuss wurde jedoch leider dadurch getrübt, dass eine freistehende Reliefgruppe, bei der die Teile, die man nicht herausgebrochen hatte, schlimm beschmiert waren, den heutigen Zustand des Wohngebietes ganz gut zusammenfasste, und dass einer der Trinker am Konsum-Markt (solche gibt es in Leipzig noch vermehrt) in eine Reichskriegsflagge gewandet war. Mein Versuch, die Mühe des antifaschistischen Kampfes mit einem Anruf auf die Polizei abzuwälzen, scheiterte an den Bestimmungen des Gesetzes, die den Gebrauch dieser Fahne nicht verbieten. Da ich kein Interesse hatte, den Helden zu spielen, zogen wir unverrichteter Dinge weiter über die Stadtgrenze nach Markkleeberg. Hier kamen wir auf das ehemalige Gelände der Landwirtschaftsmesse „Agra“, das heute nur noch als Veranstaltungsort und Landschaftspark dient. Beim langen Fußweg zurück in die Südvorstadt merkten wir erst, wie weit wir uns schon von Leipzig entfernt hatten.


Auf dem Rückweg kauften wir in einem Supermarkt am Connewitzer Kreuz, dessen Kundschaft mindestens zur Hälfte aus minderjährigen betrunkenen Anhängern linksalternativer Subkultur bestand, ein bisschen Essen und kochten später in der Wohnung eine Kartoffel-Bananen-Currysuppe, mit der wir uns auch bei unserem Gastgeber ein wenig revanchieren wollten.


Da in der Nacht zum 25. die Uhren auf Sommerzeit umgestellt wurden, und da wir morgens ausgedehnt frühstücken wollten, kamen wir an unserem letzten Tag erst gegen eins aus dem Haus. Im Hauptbahnhof kaufen wir Abschiedsgeschenke für unseren Gastgeber und gebackenes Huhn mit Nudeln, das wir am Schwanenteich verzehrten. Unseren Plan, den Zoo zu besuchen, gaben wir angesichts des horrenden Eintrittspreises von zehn Euro auf und lustwandelten stattdessen im Kulturpark „Clara Zetkin“. Die Enten und Schwäne quakten, die Sonne strahlte, und wir aßen in der Parkgaststätte Mandelkuchen. Es war ein würdiger Abschluss für dieses schönen Urlaub. An der Pferderennbahn vorbei ging es zurück in die Wohnung, wo wir unsere Sachen packten und uns verabschiedeten.


Der Weg zum Bahnhof brachte noch ein Drama zum Ende: Da die Zeit bis zur Zugabfahrt knapp bemessen war und die Straßenbahnen sonntags nur in langen Intervallen fuhren, schlug ich vor, zum Bahnhof zu laufen, was sich natürlich als komplette Schnapsidee herausstellte. Abgehetzt und gerade noch rechtzeitig standen wir auf dem Bahnsteig, nur um zu sehen, dass der Zug sich verspäten würde. Auf der Rückreise saßen wir entgegen der Fahrtrichtung, so dass wir noch ein letztes Mal die Stadt betrachten konnten.