Freitag, 7. Dezember 2007

Ein Ausflug nach Eberswalde

Auch wenn Stadtneugründungen wie Eisenhüttenstadt oder Hoyerswerda und Großsiedlungen vom Umfang einer ganzen Stadt wie Berlin-Marzahn oder Leipzig-Grünau die interessantesten Objekte des Städtebaus der DDR darstellen, lohnt es sich doch immer wieder, auch kleinere Orte zu besuchen und zu betrachten, wie hier mit geringeren Mitteln versucht wurde, ein stimmiges bauliches Ensemble und eine wohnliche Umgebung für die Bürger des Ortes zu schaffen.

Freilich besteht gerade bei den Wohngebieten, deren Bau in der Honeckerzeit begonnen wurde, oft das Problem, dass sie schlicht und einfach nicht mehr rechtzeitig fertiggestellt wurden. Vor einer Weile wurde an dieser Stelle schon einmal diese Tatsache beweint, und zwar anhand von Berlin-Hellersdorf. Für das Wohngebiet Max Reimann in Eberswalde gilt das gleiche: Bevor der Bau des Zentrums, wo sich Versorgungs- und Kultureinrichtungen hätten befinden sollen, ein Ende fand, endete die DDR. So blieb ein Freiraum, in den eine der üblichen Provinzmalls gestopft wurde, die der "Hellen Mitte" in Hellersdorf an Hässlichkeit in nichts nachsteht.

Nichtsdestrotrotz gibt es im Brandenburgischen Viertel, so der neue Name seit den 90er Jahren, noch viel zu entdecken, obgleich wegen Arbeitsplatz- und damit Mietermangel der Stadtumbau genannte Abriss auch hier voranschreitet. Fährt man mit dem Oberleitungsbus (Eberswalde ist eine von nur drei deutschen Städten, die noch über ein entsprechendes Netz verfügt) ins Viertel hinein, begrüßt einen gleich zu Anfang der ehemalige Namensgeber des Viertels in Form einer Bronzestatue inmitten einer Grünanlage, die zwischen Straße und Bebauung vermittelt. Leider gibt keine Plakette oder ähnliches Auskunft darüber, dass hier der Erste Sekretär der westdeutschen KPD und spätere Ehrenpräsident der DKP dargestellt ist.

Folgt man der hier beginnenden Magistrale der Frankfurter Allee, begegnet man noch verschiedenen weiteren Kunstwerken, die entlang einer leicht erhöht gelegenen und damit vom Straßenverkehr getrennten Promenade verteilt sind: ein Brunnen mit einem eingemeißelten Laotse-Zitat, welches das Wasser als "das Weiche" lobt, das "das Harte" besiegt; die Statue einer Frau, die einem Mann den Köpf wäscht, sowie eine Art Kasper auf einem Holzpferd, der mit seiner Posaune die Menschen im nebenstehenden Wohnblock wecken zu wollen scheint.





Auch die Wohngebäude selbst sind bemerkenswert, denn an ihnen sind großenteils noch nicht die ursprüngliches Fassadengestaltungen hinter Dämmplatten verschwunden. Das oft beklagte Problem der Monotonie des Plattenbaus ist in einer Weise gelöst, die zwar jeden Block als einzelnes Bauwerk, aber gleichzeitig auch als Teil eines größeren Ganzen erfahrbar macht. Dies wird erreicht, indem wenige Elemente (Klinkersteine, Kacheln, unterschiedliche Farbabstufung des Betons) in immer wieder neuen Mustern angeordnet werden. Ein schöner Beweis dafür, dass Industrialisierung des Bauens und Individualität kein Widerspruch sein müssen, sondern dass es allein auf das Können der Architekten ankommt, die spezifischen Möglichkeiten des industriellen Bauens zu nutzen.



Donnerstag, 29. November 2007

Im Stadtzentrum von Most

"Im Gegensatz [zur Straße] kann der Platz nicht in einer einzigen Blickrichtung und nicht von einem einzigen Standpunkt aus vollständig erfaßt werden. Der Betrachter muß herumgehen, er muß Blickrichtung und Standort mehrfach wechseln und den Eindruck des Platzes gewissermaßen aus den einzelnen Wahrnehmungen zusammensetzen. Darauf beruht auch die bekannte Erscheinung, daß man gerade die besten Plätze nicht fotografieren bzw. nur in Teilansichten wiedergeben kann..." (Hans Schmidt: Einführung, in: Konrad Lässing / Rolf Linke / Werner Rietdorf / Gerd Wessel: Straßen und Plätze. Beispiele zur Gestaltung städtebaulicher Räume. 2. Aufl., VEB Verlag für Bauwesen, Berlin 1971)



Hotel "Cascade" und Übergang zum städtischen Kulturzentrum "Repre".


Das "Repre".


"Repre" und Magistratsgebäude.



Der Magistrat.


...und sein Innenhof.


Das Stadttheater.

Ein Ausflug nach Most

Momentan habe ich wenig Ambitionen, längere Texte zu tippen oder geschriebene Reiseberichte abzutippen. Die Reise nach Most in der ehemaligen CSSR, die Leninallee und ich vor zwei Monaten unternahmen, lässt sich aber wohl auch recht gut durch die folgenden Bilder nachfühlen. Durch die Lektüre von "Farbe bekennen", der Biographie Walter Womackas, waren wir auf diese Stadt aufmerksam geworden, die seit den 60er Jahren nach und nach abgerissen und ein paar Kilometer weiter neu aufgebaut wurde, um dem Tagebau Platz zu machen. Dabei wurde die neue Stadt, Novy Most, nach einem nahezu perfekten Plan realisiert, wie ihn nur der sozialistische Städtebau zustande bringen konnte. Die Bündelung der großen Verkehrswege in einem Korridor, der an der Stadt vorbei führt und deren Bewohner so vorm Verkehrslärm schützt; das Stadtzentrum als große Fußgängerzone mit Stadthaus, Magistrat, Theater, Post, Restaurants und Geschäften; das Hochhaus des Bergbaubetriebes als Stadtkrone und die kluge Einrichtung der Wohnkomplexe, von denen keiner ohne Versorgungs- und Kultureinrichtungen ist - nichts ist dem Zufall überlassen. Hier zeigt sich, dass sich Funktionalität und Schönheit nicht ausschließen, sondern dass gerade in der Architektur die Zweckmäßigkeit notwendige Bedingung für Schönheit ist.


Unser Hochschulwohnheim.


Friedenstaubenmosaik an einer Schule.


Schicke Fassadengestaltung an einem Tanzhaus.


Wasserspiel mit Seehund am städtischen Krankenhaus.


Ehrenmal der Roten Armee.


Brunnenanlage im Stadtzentrum.


Bergbaumosaik im SHD Komes-Hochhaus.


Begegnung mit Julius Fučík.



Das Bahnhofsgebäude.


Im Wohngebietszentrum "Medůza".

Dienstag, 27. November 2007

Einige Gedanken zu Gedenkstätten

Welchen Sinn haben Gedenkstätten? Im Gegensatz zu regulären Grabmälern haben sie Bedeutung nicht nur für die Angehörigen der oder des Verstorbenen. Sie werden angelegt, um einen Sinngehalt zu vermitteln, der sich im besten Fall an alle richtet. Gerade die Stätten des Gedenkens an den Nationalsozialismus machen dies deutlich; erinnern sie doch an die Periode, die das deutsche Nachkriegsgeschichtsbild (bzw. die Geschichtsbilder) am meisten geprägt hat.

Wie weit aber soll die Botschaft gehen, die ein Denkmal vermittelt? In der bundesdeutschen Geschichtspolitik hat sich nach dem Anschluss der DDR ein Urteil über die Gedenkkultur dieses untergegangenen Staates verbreitet, das die einseitige Konzentration auf den kommunistischen Widerstand, bei Vernachlässigung anderer Opfergruppen, sowie die Ziehung einer Traditionslinie von diesem Widerstand zum Aufbau des Sozialismus als ahistorische Legitimationskultur ablehnte. Diesem Urteil entsprechend wurden Gedenkstätten umgestaltet, beseitigt oder dem Verfall überlassen, teilweise wurden auf dem Territorium der ehemaligen DDR auch neue Stätten errichtet. In extremer Weise finden sich diese zwei verschiedenen Gedenkkulturen in folgenden Zitaten:

"Unter Führung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands nutzten wir diese historische Chance und schufen in mehr als drei Jahrzehnten angestrengter, hingebungsvoller Arbeit unser sozialistisches Vaterland. Die revolutionären Traditionen begleiten unseren erfolgreichen, kampferfüllten Weg, den wir seit 1945 zurückgelegt haben. Gedenk- und Erinnerungsstätten, die wir errichteten, Gedenktafeln, die wir anbrachten, Gedenksteine und Grabinschriften waren und sind uns immer Mahnung und Verpflichtung, alles für das Wohl des Volkes und dafür zu tun, daß von deutschem Boden nie wieder ein Krieg ausgeht. Das gilt heute mehr denn je angesichts der maßlosen friedensgefährdenden Konfrontationspolitik der aggressivsten Kreise des USA-Imperialismus und der NATO." (Franz Rentmeister: Geleitwort, in: Bezirksleitung Potsdam der SED, Abteilung Agitation und Propaganda / Kommission zur Erforschung der Geschichte der örtlichen Arbeiterbewegung bei der Bezirksleitungs Potsdam der SED / Bezirkskomitee Potsdam der Antifaschistischen Widerstandskämpfer der DDR / Rat des Bezirkes Potsdam (Hg.): Historische Gedenkstätten der Arbeiterbewegung, des antifaschistischen Widerstandskampfes und der Befreiung vom Faschismus im Bezirk Potsdam - Von den Anfängen bis zum Jahre 1945. Eigenverlag, Potsdam 1983).

"Die Nachlebenden können Denkmäler nutzen, um sich bewusst zu machen, wie brüchig der Boden ist, auf dem wir unsere politische Zivilisation errichtet haben. Denkmäler aber können und dürfen uns so wenig rechtfertigen wie Erinnerung und Gedenken [...] Uns bleibt heute nur die Möglichkeit, uns zu erinnern. Denn wir können die Vergangenheit so wenig ändern wie manche Position, die in der Nachkriegszeit bezogen wurde [...] [Es] geht immer um die Einsicht in die Gefährdung des Menschen durch sich selbst und die Möglichkeit seiner Selbstbehauptung im Widerspruch und in der demonstrativen Wahrung und Verteidigung seines Anstands, der aus der Kraft des Gewissens erwachsen kann!" (Peter Steinbach: Die Enthausung des Menschen, in: Johannes Heesch / Ulrike Braun (hgg. von Günter Braun): Orte erinnern. Spuren des NS-Terrors in Berlin. Ein Wegweiser. Nicolai, Berlin 2003).

Für die Geschichtspolitik der DDR stellte sich die Frage, welche Lehren aus der Geschichte für die aktuell anstehenden Probleme gezogen werden können. Dabei kam nicht selten eine falsche Ableitung des Faschismus aus dem Kapitalismus heraus, die die Differenzen zwischen faschistischer Diktatur und bürgerlicher Demokratie verwischte und damit in teilweise absurderArt an der politischen Realität vorbei ging. Auf der anderen Seite gab sie sich aber auch nicht mit einem ratlosen Erschaudern vor dem nationalsozialistischen "Zivilisationsbruch" zufrieden, sondern wusste, wenn auch auf oft mehr als platte Weise, dass Krieg, Ausbeutung und politische Unterdrückung nicht verschwinden würden, so lang der Kapitalismus nicht besiegt war.

Statt der Verlagerung des Gedenkens in den Bereich des allgemein Menschlichen (Zivilcourage, Anstand, Gewissen) sollten die Betrachterinnen und Betrachter eines Denkmals also politische Schlüsse aus der Geschichte ziehen und sich in der Gegenwart gegen den Kapitalismus, gegen Krieg und Faschismus einsetzen. Dass dieses gegenwärtige Engagement anders aussehen musste als antifaschistischer Widerstandskampf in den 30er Jahren, und dass für diese gegenwärtigen Aufgaben der Bezug auf bestimmte Traditionslinien opportuner war als der auf andere, kann kaum verwundern. Wollte man mehr als bloßes Trauern um erlittenes Leid und die Bewunderung individuellen Anstands erreichen, musste man sich auf die Linien des Widerstandes konzentrieren, die einen Weg aus dem Kapitalismus als Grundlage, aus der der Faschismus erwächst, hinaus wiesen. Eine solche Linie konnte zwar nie jedem individuellen Einzelschicksal gerecht werden, sie führte in vielen Fällen sogar zu einer Verfälschung des einzelnen Lebens in der offiziellen Erinnerung. Aber der große Verdienst dieser Linie, den man auch heute noch an so gut wie jedem erhaltenen entsprechenden Denkmal der DDR betrachten kann, ist eben, dass sie den Faschismus nicht als eine Naturgewalt oder einen allgemeinen Verlust des Unrechtsbewusstseins darstellte, sondern als historische, das heißt von Menschen gemachte Tatsache, und damit als eine Gefahr, die durch die bewusste revolutionäre Veränderung der gesellschaftlichen Ordnung gebannt werden kann.

Eine stetig wachsende Reihe antifaschistischer Denkmäler ist zu finden im Verzeichnis der DDR-Kunst im öffentlichen Raum.

Sonntag, 28. Oktober 2007

Ein Abend mit Walter Womacka

Schon lang habe ich nichts Neues mehr für diese Seite geschrieben; vor allem, weil ich meine Energie mehr auf das gemeinsam mit Ben vom Eisenhüttenstadt Blog betriebene Projekt eines Verzeichnisses von Kunstwerken im öffentlichen Raum der DDR gerichtet habe, auf welches hier nachdrücklich hingewiesen sein soll.

Zwischenzeitlich ist im Palais am Festungsgraben zu Berlin eine Ausstellung eröffnet worden, die meinen Lesern wärmstens empfohlen sei: Der Freundeskreis Walter Womacka zeigt "Bilder aus Studienreisen" des großen kommunistischen Malers. Neben der Veröffentlichung eines Kalenders mit dem Motto "Menschen und Meer" und der ersten Ausgabe der Schriftenreihe des Vereins, die Womackas 1962er Indonesienfahrt gewidmet ist, wartet der Freundeskreis auch mit einer Filmreihe auf, in der drei Dokumentationen über das Schaffen des Künstlers gezeigt werden. Ich hatte das Glück, der ersten dieser Veranstaltungen beizuwohnen, und hoffe, mit folgendem Report noch mehr Menschen zum Besuch zu bewegen.

Der erste Film, den wir an diesem Abend sahen, war auch gleich der beste, war er doch am stärksten beseelt von dem Anliegen, das Neue der sozialistischen Gesellschaft auch in einer neuen Herangehensweise ans Dokumentarische auszudrücken. "Bild aus hunderttausend Steinen", 1959 entstanden, verfolgt die Entstehung des Mosaiks "Unser neues Leben" im Haus der Organisationen von Eisenhüttenstadt (damals noch Stalinstadt) von den ersten Studien des Malers unter den Menschen der Stadt bis zur feierlichen Enthüllung des Wandbilds vor den Hüttenarbeitern, die prüfen, ob ihr Leben dort auch wirklich gütig dargestellt ist. Dabei wird deutlich gezeigt, dass ein solches Bild nie das Werk eines Einzelnen sein kann, sondern eine hochkomplizierte Kollektivleistung ist. Jeder Arbeitsschritt, vom zeichnerischen Entwurf über das Zurechtmeißeln der farbigen Steine bis zum Verputzen des Bildes an der Wand, hat im Film seinen gleichberechtigten Platz, und es wird klar, dass nicht das Genie eines isolierten Künstlers, sondern die schöpferische Leistung einer ganzen Gesellschaft, die auf bewusst angewandter Arbeitsteilung gründet, dieses Kunstwerk hervorgebracht hat.

Die anderen beiden Filme des Abends, "Ein Fest für die Augen" (1984) und "Farbe bekennen" (2003) konnten das Niveau dieses fulminanten Einstiegs leider nicht halten, brachten aber einige interessante Details zu Womackas Leben, Inspirationsquellen und familiären Verhältnissen ans Tageslicht. Wer sich am 19. November oder am 10. Dezember nach Berlin - Mitte verirrt, sollte die Gelegenheit nutzen; wer weiß, wann sie sich wieder bietet.

Freitag, 14. September 2007

Wiederaufbau in Berlin




Der Wohnungsmangel war ein Problem, das die DDR seit ihrer Geburt quälte, und mit dem sie bis zu ihrem Ende nicht fertig wurde. Das schaffte erst der wieder installierte Kapitalismus, indem er die ostdeutschen Betriebe dem Kriterium der Profitabilität unterwarf, woran die meisten von ihnen zugrunde gingen, so dass die arbeitslos gewordene Bevölkerung massenweise gen Westen abwanderte und damit das Verhältnis Wohnraum-Wohnende umkehrte: Mittlerweile gibt es in vielen Orten nicht mehr genügend Mieter für die bestehenden Wohnungen, so dass ganze Viertel abgerissen werden (bei den Nachbarn im Eisenhüttenstadt-Blog kann man einen guten Eindruck davon gewinnen).

Will man daher die Rolle verstehen, die das Bauwesen in der DDR hatte, und die den Bauarbeiter zu einer wichtigen Identifikationsfigur machten (auch der Verfasser dieser Zeilen träumte in Kindesjahren davon, einmal Kranführer zu werden), so muss man sich das damals bestehende Wohnungsproblem vergegenwärtigen. Dieses bildete überhaupt erst den Grund für Entwicklungen zur Erhöhung der Produktivität wie die Aktivistenbewegung und schließlich die Einführung industrieller Baumethoden.

Es war aber nicht allein der zu bewältigende Mangel an Baulichkeiten, der diesem Gewerbe einen so bevorzugten Platz sicherte, sondern auch die ideoogischen Möglichkeiten, die es bot. "Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt" hieß eben: Auf den Trümmern der zerstörten alten Ordnung wird etwas ganz Neues errichtet. Das brachte auch für Menschen, die vor 1945 dem Sozialismus gleichgültig bis ablehnend gegenübergestanden hatten, ein Identifikationsangebot für eine große Anstrengung, an der alle mitwirken sollten - ein "nationales Aufbauwerk". Das Verständnis, das die SED vom Nationalsozialismus hatte - dass es sich bei diesem um die offenene Diktatur der reaktionärsten Teile der Bourgeosie gegen die Arbeiterklasse und ihre politischen Organisationen gehandelt hatte - wirkte hier noch begünstigend, da so für Menschen, die keine höheren Funktionäre des NS-Apparats gewesen waren, die Möglichkeit bestand, sich zum Antifaschisten zu entwickeln, ohne die eigene persönliche Vergangenheit reflektieren zu müssen. Der Aufbau der zerstörten Städte sollte so gleichzeitig der Schaffung eines Bewusstseins der gemeinsamen Verantwortung für den Aufbau des Sozialismus dienen. Ein Auszug in das Buch "Streifzug durch die deutsche Baukunst" von Georg Piltz (Der Kinderbuchverlag Berlin 1973) verdeutlicht diese Stimmung:

"Der Neubeginn war sehr schwer. Es fehlte nahezu an allem: Es gab keine Bagger, keine Kräne, keine Lastwagen; es gab manchmal nicht einmal genug Schaufeln und Spitzhacken. Da der Krieg Millionen Männern das Leben gekostet hatte, mangelte es auch an männlichen Arbeitskräften. Meist verrichteten Frauen die schwere Arbeit der Trümmerbeseitigung. Nach Feierabend und an den Wochenenden eilten ihnen die Arbeiter aus den Betrieben zu Hilfe. Und nicht nur sie allein: Wer damals an einem Sonnabend oder Sonntag durch die total zerstörte Frankfurter Allee ging, konnte berühmte Leute Ziegel putzen und Schutt karren sehen, zum Beispiel Otto Grotewohl, den ersten Ministerpräsidenten unserer Republik, und Friedrich Ebert, damals Oberbürgermeister von Berlin. Alle packten mit an, damit die Trümmer so rasch wie möglich verschwanden. Heute erinnern nur noch die Denkmäler vor dem Roten Rathaus - die 'Trümmerfrau' und der 'Aufbauhelfer' - an diese harte Zeit."

Zwei weitere stumme Zeugen des Aufbaupathos sind in Berlin - Pankow zu finden: Gertrud Claasens "Aufbauhelferin" (1952) an der Ossietzkystraße und der "Bauarbeiter" (1962-65) von Evelyn Nitzsche-Hartnick in der Mendelstraße, der einen der Großblöcke auf der Schuter trägt, aus denen das typische 50er-Jahre-Mietshaus vor ihm errichtet ist.

Montag, 10. September 2007

Ein Besuch bei Ruthild Hahne









Es tut mir in der Seele weh, seit nunmehr über einer Woche keinen neuen Beitrag auf diese Seite gesetzt zu haben, allein ich fühle mich aufgrund nervenzermürbender Lohnarbeit momentan einfach nicht in der Lage, etwas wirklich Veröffentlicheswertes zu schreiben. Veröffentlichenswerte Fotos dagegen häufen sich auf meiner Festplatte, darum sei hier nur kurz darauf hingewiesen, dass ich im Rahmen des "Tags des offenen Denkmals" am vor zwei Tagen im Ateliermuseum der Bildhauerin Ruthild Hahne weilte und dort, erklärt durch Hahnes Sohn und Nachlassverwalter, das unten Abgebildete zu Gesicht bekam. An Stelle weiterer Erkärungen sei auf den Wikipedia-Eintrag zur Künstlerin verwiesen.


Samstag, 1. September 2007

Noch zweimal Stephan Horota



Horota wurde auf dieser Seite bereits mehrfach gewürdigt, und angesichts seines "Jungen Fuchses" und der "Eisbärenmutter" müssen meine LeserInnen nicht erst bei der Direktion des Tierparks Berlin - Friedrichsfelde nachfragen, um zu wissen, dass "sein bildnerisches Schaffen ... vorrangig der Tierdarstellung [gilt]". Um meine Serie sommerlicher Ausflüge auf die Potsdamer Freundschaftsinsel weiterzuführen, möchte ich nun noch zwei horotasche Werke vorstellen, die ebenfalls der Tierplastik zuzurechnen sind: Zwischen all den nackten Menschen in den Gärten der Insel kommt nämlich auch die Tierwelt nicht zu kurz, und so begegnet uns ein über den Gehweg schlendernder "Bär" und ein weiterer Abguss des "Jungen Fuchses", der durch ein Blumenbeet schleicht.

Kosmonauten in Marzahn




"26. August. Um 15.51 Uhr MEZ startet Sojus 31 zum erfolgreichen Flug des ersten Kosmonauten der DDR, Siegmund Jähn, mit dem sowjetischen Kommandanten Waleri Bykowski. Am 27. 8. um 17.38 Uhr MEZ koppelt Sojus 31 an den Orbitalkomplex Salut 6/Sojus 29 an. Gemeinsam mit den sowjetischen Kosmonauten Wladimir Kowaljonok und Alexander Iwantschenko absolvieren sie sieben Tage lang ein umfangreiches Programm gemeinsamer Forschungen und Experimente. Am 3. 9. landen Siegmund Jähn und Waleri Bykowski im vorgesehenen Zielgebiet der Sowjetunion mit Sojus 29."

So nüchtern, wie es das Buch "Unser Staat - DDR-Zeittafel 1949-1988" (Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR (Hg.). Berlin 1989) beschreibt, wird der Sojusflug wohl nicht in der Bevölkerung der DDR aufgenommen worden sein, fanden doch Erfolge im "Space Race" zu Zeiten des Kalten Krieges noch weitaus mehr Beachtung als heutzutage. Die am 22. 9. 1978 erfolgte Benennung der zu dieser Zeit noch im Bau befindlichen Magistrale in Berlin - Marzahn in "Allee der Kosmonauten", die anlässlich eines Besuchs der beiden Raumfahrer stattfand, passte ganz in den Rahmen der neuen Gesellschaft, die dieses größte sozialistische Wohngebiet verkörperte, und die leider schon ein Jahrzehnt später ihr Ende fand. Noch heute erinnert ein pultartiges Denkmal mit einem verkleinerten Abguss von Walter Womackas Relief "Mensch und Raum" (die größere Ausgabe ist vom Haus des Reisens am Alexanderpatz bekannt) an die Himmelsstürmerei, die sowohl Jähn und Bykowski als auch die Schöpfer Marzahns vor mittlerweile 30 Jahren unternahmen.

Zwei Denkmäler in Lübbenau






Lübbenau im Bezirk Cottbus ist eigentlich gar nicht eine Stadt, sondern zwei Städte, denn die Eisenbahnlinie durchtrennt nicht nur den Ort, sondern zwei städtebauliche Welten. Auf der einen Seite die beschauliche Altstadt mit ihrem klassizistischen Schloss, den engen Gässchen und dem typischen Spreewaldflair, bestehend aus Kahnfahrten und eingelegten Gurken, und auf der anderen Seite die sozialistische Neustadt, die seit 1957 zusammen mit dem Braunkohlekraftwerk als Wohnstadt für die Arbeiter errichtet wurde.

Nachdem das Kraftwerk in den 90er Jahren geschlossen wurde, ist heute der Gurkentourismus die wichtigste Einnahmequelle des Ortes. Die Jugendlichen fristen derweil das übliche Kleinstadtdasein, sitzen wochenends trinkend auf dem Sportplatz und rufen den vorbeigehenden Christopher Tracy und Leninallee "Sieg Heil" und "Ihr seid der Abschaum der Menschheit" hinterher (auch das ist leider nicht unüblich für diese Region). Vielleicht sollte man sie zum in Bahnhofsnähe gelegenen Denkmal der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und zum Sowjetischen Ehrenmal der Stadt schicken (das glücklicherweise noch nicht mit Hakenkreuzen, sondern nur mit den Worten "Sido I love you" besprüht ist) und sie mit den Köpfen kräftig gegen die Ziegelwände der Denkmäler schlagen, auf dass es als antifaschistischer Denkanstoß wirke.

Tiere Am Schlaatz


Dass es in Wohngebieten, die in industrieller Bauweise erstellt sind, wichtig ist, den einzelnen Bereichen ein individuelles Gepräge zu geben, wurde auf dieser Seite bereits in einem Beitrag zur Potsdamer Waldstadt erwähnt. In der etwas weiter nördlich gelegenen Siedlung "Am Schlaatz" ist dieses Prinzip in besonders hübscher und der naturnahen Lage entsprechenden Weise gelöst: Die Wohnkomplexe tragen Namen wie "Bisamkiez", "Otterkiez" oder "Biberkiez" und die Blöcke sind mit stark stilisierten Bildern des jeweils namengebenden Tieres gekennzeichnet. Zwischen all diesen Nagetieren verbirgt sich noch eine weitere Viecherei in der Mitte einer Fußgängerpromenade: eine Katze und ein erst auf den zweiten Blick als zotteliger Hund erkennbares Riesenwollknäuel, die angesichts der sie umgebenden niedlichen Tierwelt ihre natürliche Feindschaft vergessen und sich friedlich aneinander schmiegen.

Blankenfelde - Sowjetisches Ehrenmal


"Was die Armeen der Sowjetunion, die Söhne des Landes des Roten Oktober, für die Befreiung unseres Volkes und der Völker Europas vom Hitlerfaschismus an Opfern gebracht haben, wird besonders auf dem Terrritorium unseres Bezirkes um Berlin eindringlich deutlich. Tausende gaben in der letzten entscheidenden Schlacht des zweiten Weltkrieges ihr Leben, damit wir leben. Sie ruhen in märkischer Erde. Dank Euch, Ihr Sowjetsoldaten! Eure Tat bleibt unvergessen!"

Diese Worte Franz Rentmeisters, des Vorsitzenden des Bezirkskomitees Potsdam der Antifaschistischen Widerstandskämpfer der DDR (in: D. Schulte (Hg.): Historische Gedenkstätten der Arbeiterbewegung, des antifaschistischen Widerstandskampfes und der Befreiung vom Faschismus im Bezirk Potsdam - Von den Anfängen bis zum Jahre 1945. Potsdam 1983) wären eine gute Wahl gewesen für die Tafeln, die in neuerer Zeit an den beiden Massengrabfeldern der Roten Armee auf dem Blankenfelder Friedhof angebracht wurden, welche zusätzlich zu den Gräbern namentlich bekannter Gefallener dort angelegt sind. Eine bessere Wahl zumindest als das Albert-Schweitzer-Zitat "Die Soldatengräber sind die großen Prediger des Friedens" und der unsägliche Satz "Gedenkt ihrer und aller Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft!", denn die Sätze Rentmeisters machen deutlich, dass es hier nicht einfach nur um bedauernswerte Opfer eines Krieges geht, mit dessen Zielen sie selbst nichts zu tun hatten, sondern um Soldaten, die für die Verteidigung des Sozialismus und den Sieg über den Faschismus ihr Leben ließen.

Neben dem sowjetischen Ehrenfriedhof mit seinem Denkmal, dass von einem wehrhaften Schild mit Rotem Stern geschmückt und von Hammer und Sichel gekrönt ist, wurde hier laut dem oben zitierten Buch auch ein "Ehrenhain antifaschistischer Widerstandskämpfer, verdienter Parteiveteranen und Aktivisten der ersten Stunde" angelegt, der mir allerdings nicht auffiel und über den mir der betont unhöfliche Friedhofswärter wohl auch nichts erzählt hätte, wenn ich ihn danach gefragt hätte.

Donnerstag, 30. August 2007

Spätsommer auf der Freundschaftsinsel





Auch wenn mittlerweile längst nicht mehr so angenehme Temperaturen herrschen wie noch im Juni, bieten die Gartenanlagen auf der Freundschaftsinsel zu Potsdam weiterhin ein sommerliches Bild dank einer Reihe entspannter Aktskulpturen, die den Betrachter glauben machen, das Klima lasse noch immer ein Nickerchen auf dem Rasen zu. Und tatsächlich scheint auf der Freundschaftsinsel der Sommer nicht vorbeigehen zu wollen, schließlich läuft auch bei den derzeitigen 17° Höchsttemperatur das Programm im Freilichtkino (gebaut anlässlich der '73er Weltfestspiele vom VEB Spezialbau Potsdam) noch weiter.

Die Werke und ihre Schöpfer: "Harmonie" von Dietrich Rhode (1965), "Schwimmerin" von Fritz Cremer (1960), "Jugend" von Horst Misch (1979) sowie eine letzte Statue, zu der ich keine Details ermitteln konnte, da die Plakette bereits unter hochgewachsenen Gräsern verschwunden ist. Über entsprechende Hinweise der Leserschaft würde ich mich freuen.

Steinerne Tierwelt der DDR #7


Bereits in der ersten Folge dieser Reihe war ein Nilpferdpaar, bestehend aus Elternteil und Kind, vertreten, das einen prominenten Platz in der Potsdamer Wilhelm-Külz-Straße (heute Breite Straße) einnimmt und von jedem Touristen gesehen werden kann, der mit den Bussen der "Schlösserlinie" zum Park Sanssouci fährt. Um ihre hier abgebildete Zwillingsgruppe zu finden, muss man dagegen schon genauer hinsehen, ist sie doch versteckt hinter einer Litfasssäule an dem netten, aber ziemlich eingezwängt in der historischen Stadtstruktur gelegenen Bezirkskrankenhaus (heute Klinikum Ernst von Bergmann), das weitgehend seit 1977 nach Entwurf von Karl-Hermann Hönsch errichtet wurde.


Die verborgene Position der Tiere hat ein unbekannter Übeltäter genutzt, um geschützt in die Flanke des größeren der beiden ein Loch zu schlagen, was uns aber wenigstens die Erkenntnis bringt, dass diese Betonfiguren von innen hohl sind.